Jägerin der Nacht: Firestarter (German Edition)
Kraft ihres kleinen Körpers gegen mich und rammte mir einen Dolch in den Bauch. Ich stöhnte auf, als sie die Klinge wieder herauszog und sie mir an die Kehle setzte, den dicken Stoff des Rollkragenpullovers durchstieß und das empfindliche Fleisch darunter ritzte. Ich konnte ihr Blut in der Luft schmecken. Ihre Arme zitterten, als sie mit mir rang.
Ich war ein Narr. Es war mir zwar gelungen, die Naturi anzuschießen, bevor ich ins Wasser stürzte, aber ich hatte die Umgebung danach nicht noch einmal durchleuchtet, um sicherzugehen, dass sie tatsächlich tot war. Ich ergriff mit beiden Händen ihren Arm und kämpfte gegen die Klinge an, die sich tiefer und tiefer in meine Kehle bohrte. Allzu stark war sie zwar nicht, aber das Gift und die Erschöpfung hatten mich eine Menge Kraft gekostet.
Ich biss die Zähne zusammen und schloss die Augen, als sich das Messer einen Millimeter tiefer in meine Kehle fraß und Adern verletzte, die einen frischen Schwall Blut entließen. Es war leicht, die Kräfte anzuzapfen, die so dicht unter der Oberfläche schlummerten, und das Leben dieser Naturi zu fordern. Der Ausbruch war wie eine Explosion in meiner Brust. Überrascht schrie ich auf. Ich war zu müde, um die Wirkung so genau zu kontrollieren wie sonst. Den Körper der Naturi durchlief ein Zittern, als die Energie blitzartig in sie hineinfuhr und ihr Blut beinahe auf der Stelle zum Kochen brachte. Sie war so schnell tot, dass sie nicht einmal mehr einen Schmerzensschrei ausstoßen konnte.
Ich schubste die Leiche von mir herunter, fiel auf die Knie und rang mühsam nach Luft, während Sterne vor meinen Augen tanzten. Immer noch strömte die Energie aus meiner Seele und suchte nach anderen Wesen, die sie vernichten konnte. Kaum eine Sekunde später spürte ich Mira in der Nähe. Das Monster in mir gluckste zufrieden, als es die Klaue nach ihrer Energie ausstreckte. Aber diesmal ging es nicht um Zerstörung; ich bemerkte, wie es sich mit der anderen Macht vereinen wollte, um eine noch größere Bedrohung für die Welt zu werden.
»Nein«, ächzte ich und presste beide Hände auf die kalte Erde, während ich mich mit voller Kraft auf die Mächte konzentrierte, die sich unkontrolliert den Weg aus meinem Körper bahnen wollten. Noch nie hatte ich derart die Kontrolle verloren. Ich stellte für jedes Lebewesen in meiner Umgebung eine Gefahr dar – ob nun Mensch, Nachtwandler oder Naturi. Es spielte keine Rolle, welcher Art die Kreatur war, solange sie nur eine Seele hatte, die ich mir einverleiben konnte.
Ich nahm das letzte bisschen Kraft zusammen, das in meinem zitternden Körper verblieben war, und schloss im Geist die Finger um die Kraft, die nach einem neuen Opfer suchte, und zog sie in meinen Körper zurück. Sie kämpfte gegen mich, wand sich in meinem Griff, das konnte ich spüren. Meine Muskeln schmerzten, und meine Lungen brannten, als ich aus Angst, die Kontrolle über das Monster zu verlieren, den Atem anhielt. Nach einer schieren Ewigkeit gelang es mir, die Macht wieder in meinen Körper zu zwingen und tief im Inneren meiner Seele einzusperren, wo niemand sie erreichen konnte. Fürs Erste war die Welt wieder sicher vor mir.
16
Ich klammerte mich an das Rauschen des Wassers, während ich im Dunkeln am Boden lag. Den Blutstrom aus meiner Kehle hatte der dicke Baumwollpullover so gut wie gestillt. Der Schmerz in Arm und Bein war zu einem dumpfen Pochen verebbt, das neben dem tiefen Grollen in meiner Brust kaum noch zu spüren war. Das Monster in meinem Inneren wollte hinaus, und es dürstete nach mehr Opfern als nur einem lumpigen Naturi. Es wollte mehr Blut und prächtigere Beute. Niemals hätte ich diese Quelle anzapfen dürfen, die in meinem Inneren schlummerte. Ich stützte mich auf die Unterarme und presste den Kopf auf den Pfad, während ich im Kopf ein Dutzend Möglichkeiten durchspielte, wie ich der Naturi ausweichen und meine Waffe hätte ziehen können. Aber das hatte ich nicht getan. Noch vor ein paar Sekunden war mir keine einzige dieser Möglichkeiten eingefallen.
Allerdings war ich vor ein paar Sekunden auch noch komplett auf Autopilot unterwegs gewesen. Ich hatte mich ganz meiner Wut und Furcht überlassen. Diese schlummernde Kraftquelle anzuzapfen war verführerisch leicht gewesen. Außerdem fühlte es sich gut an, als entspannte man einen verkrampften Muskel. Die lindernde Wärme durchströmte meine Glieder und schien mir bis in die Seele zu dringen.
Natürlich hatte all das auch seinen Preis.
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