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Jane Reloaded - Roman

Jane Reloaded - Roman

Titel: Jane Reloaded - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beltz & Gelberg
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gepflanzt in den alten Homo sapiens , die noch weiter aufgehen wird. Verfeinert oder verändert mit der synthetischen Biologie kann sich aus den HE-Genen eine neue Vielfalt entwickeln mit noch ungeahnten Ent-Artungen und Ent-Grenzungen.
    Und du, meine liebe Jane VII, bist bereits Teil dieser neuen Evolution, die noch am Anfang steht, die aber begonnen hat und sich immer weiter beschleunigt. Das belegen die Gen-Dateien von Neugeborenen, die seit Längerem weltweit auf deine HE-Varianten hin untersucht und erfasst werden. Dafür tragen wir inzwischen selbst Sorge. Aber ich bin mir auch sicher, dass mein Vater Gregor Bao Li auf diese Weise Ende 2098 auf den Vornamen »Antonia Johanna Jane« gestoßen ist und sich gefreut hat. Weil ihm nicht nur seine erste, sondern eine ganz besondere Enkelin geboren worden war: Jane VI, unsere Tochter und deine Mutter.
    Deinen Nachkommen werden der aggressive mutierte Aids-Virus und die neuen Malaria-Erreger nichts anhaben. Beide töten, wie die letzten Jahrzehnte gezeigt haben, nur den reinrassigen Homo sapiens . Neun Milliarden Menschen sind einfach untragbar geworden für den Planeten, der sich durch Natur- und Populationskatastrophen bereits heftig zu wehren beginnt. Die Neuen werden sich durch einen genetischen Flaschenhals zwängen müssen – dieses Bild mag ich! –, danach aber die Stärkeren sein, auch wenn sie nur in kleiner Zahl überleben. Auch frühe Hominiden, darunter Homo erectus , haben solche Selektionsprüfungen überstanden, denn auch schon vor einer Million und noch einmal vor 70 000 Jahren hing das Schicksal der Menschheit an einem seidenen Faden.
    Vielleicht werden die neuen Arten der Gattung Homo, die nach dem Langen Jetzt entstehen, wieder ohne Flugzeuge und Autos auskommen müssen und auf ihre Füße oder Reittiere angewiesen sein, um lange Strecken zu überwinden. Sie könnten sich wieder in den Wäldern niederlassen, die dann längst die Mega-Citys überwuchert und sich ihr angestammtes Terrain zurückerobert haben. Einzelne Menschengruppen könnten erneut aufbrechen, um Kontinente zu besiedeln – dieses Mal nicht out of africa , sondern in die umgekehrte Richtung, into africa . Ohne Kleider könnte ihnen wieder ein Fell wachsen und die Haut weiter nachdunkeln. Ihre Nachbarn wären dann die Bonobos, die Schimpansen und Gorillas, die aus dem Arche-Noah-Genpool wiederbelebt wurden und denen endlich ein echtes Great-Ape-Land gehört, wo für alle die Menschenrechte gelten.
    Ich weiß nicht, welche Sprache am Ende des Langen Jetzt gesprochen wird und wie sich die zukünftigen neuen Homo-Arten nennen werden. Aber vielleicht muss sowieso niemand mehr so viel und kompliziert daherreden, weil sich unsere Spiegelneuronen zu noch besseren Gedankenlesern und hochsensiblen Gefühlsantennen entwickelt haben und wir direkt von Hirn zu Hirn kommunizieren können. Eine allererste kleine Ahnung davon hat mir Jamie vermittelt. Und wenn die zukünftigen Menschen beobachten, wie jemand oder eine Sache physische Gewalt erleidet, zum Beispiel, wenn ein Baum gefällt oder jemand geschlagen wird, fühlen sie nicht nur mit, indem sie kraft ihres Verstandes werten und urteilen, sondern sie empfinden tatsächlich körperliche Schmerzen. Ich bin mir sicher, dass die Welt dann eine ganz andere sein würde.
    In 10 mal 10 000 Jahren könnten unseren Nachkommen aber auch Flügel oder Flossen gewachsen sein. Nicht mehr am Ende meiner Tage, aber am Ende des Langen Jetzt werden auf jeden Fall die Grenzen zwischen Mensch und Tier beginnen aufzubrechen und Mischwesen werden entstehen. Vielleicht schwimmt irgendwann ein Homo marinus durch die Meere, und der neue Eroberer der Lüfte, die Spezie Homo volaticus , baut sich große Nester statt Häuser. Manchmal habe ich sie in meinen Träumen schon fliegen sehen und mich ihnen angeschlossen, im Wasser und in den Wolken.
    Eine schöne Vision.
    Menschheit reloaded.
    Von dem alten geschnitzten Eingangstor des ehemaligen Laos-Labors ist der First schon vor langer Zeit abgebrochen, nur noch die Pfosten trotzen Wald und Regen, die Farben der filigranen DNA-Stränge sind verblichen, die bunten Glassteine trüb und blind. Aber um die Geister der gelben Blätter und des silbernen Hauses gnädig zu stimmen, drücken Anwohner immer noch frische Klebreiskügelchen an die ramponierten Überreste, opfern Geldstücke und legen bunte Blüten und Bananen nieder. Bei meinem letzten Besuch stiegen mir alle diese Lala-Gerüche wieder in die Nase und einen Augenblick

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