Je mehr ich dir gebe (German Edition)
wäre nicht Charlotte, wenn sie nicht das letzte Wort hätte. So, wie sie jetzt guckt, kommt bestimmt die Entschärfung des Themas, mit Versöhnungsangebot.
»Weißt du, an was mich das erinnert?« Charly sieht sie von der Seite an und wartet erst gar keine Antwort ab. »Das erinnert mich an die Vampirfilme, über die wir uns doch immer so köstlich amüsiert haben. Weißt du noch, Julia?«
Natürlich weiß Julia das noch. Nur weil sie so stark liebt, hat sie ja nicht ihr Gedächtnis verloren!
»Der Vampir geistert in deinem Leben herum und will dich beißen, damit er endlich mit dir zusammen sein kann – in diesem Fall ist es dann der Lebende, der in die Vampirwelt übertritt, ins Reich der Untoten«, referiert Charlotte und prustet los. »Weißt du noch, wie wir früher immer versucht haben, uns bei jeder Gelegenheit einen Vampirkuss zu geben? In der Mathestunde beim ollen Struwe? Da hab ich dich endlich mal richtig erwischt und du hast rumgekreischt und bist mit dem Stuhl umgekippt. Dem Struwe ist vor Schreck das Buch aus der Hand gefallen.«
Julia ringt sich ein Lächeln ab. »Ja, das war witzig.«
Charly steht auf, geht zum Bett und pflanzt sich neben Julia. Sie nimmt ihre Hand, tätschelt sie und hält sie ganz fest. Julia hält auch Charlottes Hand ganz fest. Das ist schön, hilft aber nicht weiter, ändert auch Julias Meinung nicht, und was heißt hier schon Meinung – Julia ist sich SICHER, dass es einen Weg gibt, um Jonas wieder zurückzubekommen. Vielleicht kann er ja nur zu bestimmten Zeiten bei ihr sein, weil es ihn zu viel Kraft kostet, sich in der Welt der Lebenden aufzuhalten. Vielleicht muss er zwischendurch wieder in seine Welt zurück, um aufzutanken. Oder er kann nur nachts kommen oder im Morgengrauen – ganz egal, sie würde sich auf seine Zeiten einstellen, sich nach ihm richten, Hauptsache, er schafft es, zu ihr zu kommen.
Charly schaut sie von der Seite an. »Jetzt siehst du schon wieder entspannter aus«, sagt Charly. »An was denkst du?«
»An nichts«, lügt Julia.
»Gut. Dann lass uns doch ein bisschen rausgehen. Wollen wir erst auf der Admiralsbrücke ein bisschen chillen und dann endlich mal ins Kino?«
»Okay«, sagt Julia und ist selbst überrascht über ihre schnelle Antwort. Aber der Moment hat so viel Energie und schwemmt sie einfach mit. Das war schon immer so. Wenn Charly von etwas überzeugt ist, ist sie stärker als ein Wasserfall und reißt einen mit. Wenn Julia doch nur auch so viel Power hätte und Jonas mitreißen könnte! Bestimmt gibt es eine Energie, die das schafft. Sie muss nur herausfinden, welche.
Charly steht auf, geht vor den Spiegel und wuschelt sich die kurzen Haare zurecht. »Und was machen wir heute Abend?«
»Heute Abend bin ich schon mit Kolja verabredet.«
»Ach du Scheiße, du triffst dich immer noch mit dem Küsser?«
Gut dass Julia ihr noch nicht erzählt hat, dass sie sich nicht nur mit ihm trifft, sondern dass sie auch miteinander schlafen und dass Jonas mit dabei ist. Charly würde sie garantiert für völlig durchgeknallt halten.
»… andererseits – wenn der Küsser dir wieder etwas Leben einhaucht, dann ist ja gut«, sagt Charlotte. »Du bist nämlich leichenblass, vampirblass.« Charlotte macht einen Satz auf sie zu und tut so, als wolle sie ihr einen Vampirkuss geben. Normalerweise kämpfen sie jetzt miteinander, um zu verhindern, von der anderen gebissen zu werden. Aber als Charlotte sie an den Schultern packt, hat Julia schon keine Kraft mehr, weiterzubalgen. Sie sinkt in Charlys Arme und Charly hält sie und drückt sie fest. Julia kommen die Tränen. Sie schluckt sie herunter. Was ist nur los mit ihr?
»Seid ihr denn richtig zusammen, du und Kolja?«
Julia zuckt die Schultern. »Was heißt schon richtig ?« Gut dass Charly nicht weiterfragt und auch keine blöde Bemerkung macht. Charly hält sie einfach nur fest und streichelt ihr den Rücken. Das hat sie noch nie gemacht. Es ist auch mehr ein Tätscheln als ein Streicheln.
Julia möchte nicht zur Admiralsbrücke, lieber gleich ins Kino, in die Nachmittagsvorstellung. Dann kann sie sich abends noch mit Kolja treffen. Sie möchte wieder mit ihm schlafen.
In der Kulturbrauerei ist es ein bisschen wie früher. Charly kauft Popcorn, Julia hat Mineralwasser dabei. Für eine Flasche Cola 3,50 Euro auszugeben, ist doch bescheuert. Aber Popcorn muss sein. Sie einigen sich auf eine französische Gaunerkomödie mit dem süßen Jean Dujardin und dem verwegenen Jean Reno.
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