Jeder Hund kann gehorchen lernen
dem Schulflur, ein verzweifelter Lehrer, der die Klasse nicht mehr im Griff hat. Zeitgleich führen die Eltern von Laura-Marie zu Hause folgende Unterhaltung: »Du, Schatz, ich glaube, es war eine gute Idee, unserem Kind das ganze Spielzeug und die vielen Süßigkeiten mit in die Schule zu geben«, sagt die Mutter. Schatz a ntwortet: »Stimmt! Gut, dass du Laura-Marie a uch noch gesagt hast, dass sie immer schön laut mit der Tüte rascheln soll, damit ihre Klassekameraden a uch wissen, was sie da Schönes mitgebracht hat!«
Heutzutage wird die Mehrzahl der Hunde in Deutschland schon im Welpenalter mit der Bestechung durch Leckerchen konfrontiert – und das teilweise mit kuriosen A uswüchsen. So erzählte mir kürzlich eine Welpenbesitzerin, dass sie in einer Hundeschule, die »hundepsychologisch« lehrt, dazu a ngehalten wurde, neben ihrem elf Wochen a lten Welpen minutenlang in gebeugter Haltung herzulaufen und ihm dabei ein Stück Fleischwurst vor die Nase zu halten. Ziel: den Hund daran zu gewöhnen, »bei Fuß« zu laufen. Offen bleibt die Frage, ob die Hundebesitzer nach zehn Trainingseinheiten einen Gutschein für den Besuch in einer Physiotherapie-Praxis erhalten …
Wie würde eigentlich ein Hund mit einem Hund umgehen? Keine Hundemutter würde ihren Welpen mit Leckerchen erziehen! Im Hunderudel sanktioniert der Ranghöhere den Rangniedrigeren körperlich, etwa durch einen kurzen (unblutigen!) Biss oder durch Drohgebärden (Knurren, Zähnezeigen). Den eigenen Hund in einen Leckerchen-Junkie zu verwandeln, ist a lso a lles a ndere a ls a rtgerecht.
Mein A nsatz: A nstatt sich zum (rangniedrigeren) Leckerchen-Automaten zu degradieren, sollten Herrchen und Frauchen möglichst die Erziehung der Welpenmutter bzw. des Rudelführers kopieren. Dazu braucht es keine körperliche Gewalt (Schlagen Sie niemals Ihren Hund!), es reicht zum Beispiel ein kurzes Leinensignal a us dem Handgelenk, das den Biss des Erziehungsberechtigten simuliert (siehe Kapitel 3). Natürlich ist es a ngenehmer, dem Hund ein Leckerchen zu geben, a ls ihn mithilfe der Leine zurechtzuweisen. Deshalb vertrauen Blümchentrainer und Blümchenhundehalter oft a uf die Bestechung mit Leckerchen. Der Grund dafür liegt im Sozialverhalten der Menschen: Wir wollen a ndere durch Liebe und Freundlichkeit überzeugen und a n uns binden – und nur wenn es nicht a nders geht durch Zurechtweisung. A ber: Der Hund ist kein Mensch und versteht das natürliche Sozialverhalten seiner A rt deutlich besser. Keine A ngst! Sie können das hündische Sozialverhalten a uch dann simulieren, wenn Sie – wie die meisten Menschen – kein »Alphatier« sind und sich Ihren Mitmenschen gegenüber lieber nett und freundlich verhalten. Bei der in diesem Buch vorgestellten Trainingsphilosophie geht es weder darum, den Hund ständig zu unterwerfen, noch um a uoritäre Machtausübung. Es geht lediglich darum, ihn freundschaftlich und gleichzeitig konsequent zu führen. Setzen Sie sich a lso nicht mit überhöhten A nsprüchen à la »Ich muss der Rudelführer sein« unter Druck. Es reicht, wenn Sie dem Hund gegenüber signalisieren, dass Sie der Ranghöhere sind. Erziehungsberechtigter, Vorgesetzter, Chef, Familienoberhaupt – es ist letztendlich egal, wie man es nennt, das Ziel bleibt das gleiche: derjenige zu sein, a n dem sich der Hund orientieren kann und der ihm zeigt, wo es langgeht. Hunde brauchen das. Herrchen und Frauchen, die dem Hund a lles durchgehen lassen bzw. in der Erziehung Slalom fahren (mal führen, mal den Hund führen lassen, mal etwas erlauben, mal nicht), verwirren und verunsichern ihren Schützling.
In diesem Buch erfahren Sie, wie Sie durch eine gefestigte Stellung a ls Ranghöherer eine enge Bindung zu Ihrem Hund a ufbauen und ihn a uf sich fixieren. Ganz ohne Leckerchen. Die Tatsache, dass a uch bei der A usbildung von Blindenhunden in a ller Regel komplett a uf Leckerchen verzichtet wird, bestätigt diesen kalorienarmen Grundansatz. Schließlich ist bei Blindenhunden maximale Zuverlässigkeit das A und O. Oder haben Sie schon mal einen Blindenhund gesehen, der seinen Zweibeiner einfach so stehen lässt, um einen A rtgenossen zu beschnüffeln oder sich einen weggeworfenen Burger zu schnappen?
Als ich drei oder vier Jahre a lt war, kümmerte sich oft meine Oma Margarete um mich. Sie erklärte mir die Welt ruhig und geduldig. Manchmal trafen wir bei unseren Spaziergängen a uf diese pelzigen Wesen, die hechelten und den Schwanz oft wie einen
Weitere Kostenlose Bücher