Jenseits der Sehnsucht (German Edition)
laut war. Wie besessen riss er ihr das Hemd vom Leib, Knöpfe flogen durch die Luft, fielen klappernd zu Boden.
Sie rief laut seinen Namen, losgelöst, leidenschaftlich, verwirrt durch die wilde Lust, die sie in ihm heraufbeschworen hatte. Dann konnte sie nur noch um Luft ringen, als sie den ersten Gipfel erklomm.
Und dann war er in ihr, erfüllte sie, feuerte sie gnadenlos an. Schneller, härter, während eine Welle nach der anderen über sie schwappte. Wilde Leidenschaft wurde zu Hingabe, Hingabe wurde zu Wehrlosigkeit, Wehrlosigkeit zu Erschöpfung, Erschöpfung zu neuer Energie. Empfindung wechselte mit Empfindung ab, bis die ganze Welt nur noch aus Farben und Licht bestand. Als Jacob sie auf sich zog, wusste Sunny nicht mehr, wo sie begann und er aufhörte. Und sie vergaß, sich darüber Gedanken zu machen.
9. K APITEL
Sunny schloss die Tür zu ihrem Apartment auf und ignorierte das leise Knirschen hinter sich. Es bedeutete, dass Mrs. Morgenstern ihre Wohnungstür einen Spalt weit geöffnet hatte, um herausfinden, was auf dem Hausflur des dritten Stocks vor sich ging.
Sunny hatte sich trotz eines unzuverlässigen Aufzugs und neugieriger Nachbarn für die Wohnung im dritten Stock entschieden, weil zu dem Apartment ein Balkon gehörte. Dieser war zwar genauso winzig wie die Wohnung selbst, aber es gab genug Platz für einen einzelnen Stuhl, und wenn sie die Beine auf das Geländer legte, konnte sie sich sogar sonnen. Der Ausblick war nicht gerade atemberaubend – man blickte hinunter auf einen Parkplatz –, aber Sunny war damit vollkommen zufrieden.
»Da wären wir.« Sie war überrascht über das wehmütige Gefühl, das sie überkam, sobald sie das Sammelsurium ihrer eigenen Sachen sah.
Jacob betrat hinter ihr die Wohnung. Durch schmale hohe Fenstertüren fiel Sonnenlicht herein. Bilder reihten sich dicht an dicht an den Wänden – Fotos, Zeichnungen, Poster, Ölgemälde. Scheinbar brauchte Sunny auch in den eigenen Räumen Gesellschaft.
Auf dem ausgesessenen und von der Sonne gebleichten Sofa häuften sich unzählige farbenfrohe Kissen. Davor stand ein niedriger Tisch, auf dem sich Zeitschriften, Bücher und ungeöffnete Post türmten. In einer Ecke des Zimmers staken verstaubte Pfauenfedern aus einer Bodenvase. Auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes stand ein weiterer Tisch, der, wie Jacob erkannte, aus einem noch weiter zurückliegenden Jahrhundert stammte. Auf dem exquisit gearbeiteten Stück lagen – außer einer feinen Staubschicht – Ballettschuhe, ein Knäuel blauer Bänder und die Scherben einer zerbrochenen Teekanne. In einem Holzregal steckten Schallplatten, und auf einem hohen Korbschemel stand ein bunter Porzellanpapagei.
»Interessant.«
»Nun, es ist mein Zuhause. Die meiste Zeit zumindest.« Sie drückte Jacob die Papiertüte mit den Keksen und der Limonade, die sie unterwegs besorgt hatten, in den Arm. »Stell das in die Küche, ja? Ich will nur eben meinen Anrufbeantworter abhören.«
»Wo ist die Küche?«
»Da hinten.« Sie zeigte auf eine Tür und verschwand durch eine andere.
Allein in der Küche, hatte er Muße, sich ein wenig umzusehen. Es waren nicht die Küchengeräte der Ära. An die hatte er sich mittlerweile gewöhnt. Es waren die vielen Teekannen, die seine Aufmerksamkeit erregten. Sie standen überall, bedeckten jeden freien Platz. Teekannen aller Arten, in jeder Form und allen möglichen Farben, von kitschig bis elegant.
Ihm wäre nie in den Sinn gekommen, in Sunny Sammelleidenschaft zu vermuten. Sie schien doch viel zu rastlos und immer auf dem Sprung, als dass sie ihr Leben mit unnützen Dingen anfüllen würde. Und seltsamerweise fand er es rührend, dass sie trotz allem sentimentale Schwachstellen hatte. Das hätte er nicht von ihr erwartet.
Neugierig betrachtete er eine der Kannen. Ein besonders blumiges Exemplar aus dem späten zwanzigsten Jahrhundert. Bauchig, aus minderwertigem Porzellan gefertigt und mit kitschigen Margeriten bemalt. Jacob schnitt eine Grimasse. Nun, bevor das ein wertvolles Sammlerstück wurde, würde noch einige Zeit vergehen müssen.
Er stellte die Kanne an ihren Platz zurück und ging auf Entdeckungsreise. Die blauen Bänder waren Medaillen, wie er feststellte, Auszeichnungen für Schwimmen, Fechten, Reiten. Sunny hatte offensichtlich ihr bisheriges Leben damit zugebracht, ihre verschiedenen Talente auszuprobieren. Einige der Bilder an der Wand trugen ihre Unterschrift – eigentlich nur ein schwungvolles Gekritzel.
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