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Jenseits des Meeres liegt die ganze Welt

Titel: Jenseits des Meeres liegt die ganze Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Audur Jónsdóttir
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verputzten.
    Das letzte Stück steckte ich ihm in den Mund. Er kaute es mit verträumtem Gesichtsausdruck, während sich die Zauberstadt am Fuße des Berges in seinen Augen spiegelte, ein Haufen funkelnder Goldklumpen. Plötzlich umschlang er mich so fest wie eine Würgeschlange: Manche Menschen verfaulen wie altes Obst, Sunna. Aber du bist eine zuckersüße Orange, also pass auf, dass … ICH DICH NICHT FRESSE!
    Er fraß mich: Knurrend, schmatzend und küssend rieb er sich an meiner Haut, die von salzig-süßem Schweiß verklebt war, und sog ihn auf. Ich lachte laut, zappelte überglücklich und trank seinen Geruch, trank, trank, trank.
    Ich: seine Süße.
    Süßer als Sardellen, sagte er.
    Und küsste meine Kehle, meinen Nacken, meine Achselhöhlen. Zehen.
    An diese Küsse musste ich denken, als ich Arndís am Heiligabend gegenübersaß und das Weihnachtsessen, das wir nach isländischer Sitte zusammen gekocht hatten, vor uns auf dem Tisch stand.
    Trotz ihrer guten Vorsätze gelang es ihr zunehmend schlechter, ihr Desinteresse an Jordi zu verhehlen, und doch sprach keiner von uns das Thema an, während wir bei Kerzenschein unsere Hummercremesuppe löffelten.
    Bis jetzt waren unsere Weihnachtsferien ziemlich anders gewesen, als wir es uns vorgestellt hatten. Und obwohl sie noch bis in den Januar dauerten, wussten wir beide, dass sich daran nichts ändern würde. In der letzten Zeit war sie immer häufiger mit den anderen von der Uni losgezogen und hatte dadurch eine Menge neuer Leute kennengelernt. Ich fragte, was das für Typen seien, doch sie zuckte nur mit den Schultern, steckte sich einen weißen Hummerbissen in den Mund, kaute langsam und sah mich provozierend an. Als dann noch meine Mutter anrief, um mir fröhliche Weihnachten zu wünschen, war die Stimmung vollends im Eimer. Gewissensbisse überwältigten mich. Mein Hals schwoll zu, Halsentzündung, Kehlkopfentzündung und Mandelentzündung zugleich, es fiel mir immer schwerer, ihr die Wahrheit vorzuenthalten. Mama hatte keine Ahnung, dass ich einen Freund hatte.
    Doch ich musste weiter lügen, um die Geschichte am Laufen zu halten, Lügen sind verfänglich, jede Lüge erfordert eine weitere. Ich versuchte mir einzureden, dass meine Lügen wahr wären, bis einige Tage später das Telefon erneut klingelte und ein Arzt aus der Notaufnahme mir sagte, dass Mama bei Glatteis ausgerutscht sei und eine schwere Gehirnerschütterung erlitten habe. Innerhalb weniger Sekunden war ich bereit, alles für sie zu tun, aber sie wollte nichts davon wissen. Ich sollte deswegen nicht nach Hause kommen.
    Also log ich weiter.
    *
    Hastig koche ich Kaffee, fülle Weintrauben in eine Schüssel und taue tiefgefrorene Zimtschnecken in der Mikrowelle auf. In den letzten Stunden habe ich unzählige Verbrauchermärkte abgeklappert, ohne auch nur einen einzigen Titel dort unterzubringen. Wenn ich mit höheren Handelsrabatten gelockt hatte, kam immer dieselbe Reaktion wie am Vortag: Niemand bekommt Prozente von etwas, das keiner kauft.
    Ich ziehe eine Grappaflasche aus einer Papiertüte und stelle sie zusammen mit einigen Schnapsgläsern auf den Tisch, um durch etwas Großzügigkeit in der Kaffeepause von dem mangelnden Verkaufserfolg abzulenken, das funktioniert eigentlich immer.
    Alles steht bereit, als die Kollegen langsam eintrudeln, Stefanía lächelt höchstzufrieden, als sie hört, dass mir das Bärenkostüm passt.
    Es ist schließlich auch maßgeschneidert, sagt sie und errötet unter den flirtenden Blicken der Brüder, die zwischen den Grappaschlucken ihre Zigarren paffen; mir kommt der Verdacht, dass sie mit beiden geschlafen hat.
    Als ich zu allem Überfluss auch noch anbiete, den Abwasch zu machen, ahnen sie, wie mies die Verkaufszahlen sind, aber der Grappa verfehlt seine Wirkung nicht, so dass mich niemand darauf anspricht und auch keiner die Nase rümpft, als ich ankündige, heute wegen Helgi früher nach Hause zu gehen.
    Nach der Kaffeepause helfe ich Kjartan noch etwas im Lager. Beschwingt von dem Grappa, lästern wir über die Sieben-Prozent-Mehrheit, die sich anmaßt, einen Krieg in Weit-Wegistan unterstützen zu wollen. Leute, die so etwas machen, haben doch völlig den Draht zum Volk verloren, sagt er, während er sich mit einer Hand an einem der hohen Regale festhält. Etwas später bittet er mich, Mama von ihm zu grüßen, die immer noch derselbe Charmebolzen sei wie früher. Hoffentlich schaffe er es bald einmal, auf einen Kaffee in ihrem Stammcafé vorbeizuschauen,

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