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Jenseits von Feuerland: Roman

Jenseits von Feuerland: Roman

Titel: Jenseits von Feuerland: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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weiterhin kalt, aber sie machte Anstalten, sich schwerfällig zu erheben und wieder nach oben zu gehen. Emilia seufzte, als sie ihr dabei zusah. Jeder Schritt fiel unendlich langsam aus – Ritas Bauch schien mittlerweile viel zu groß für die dürren Beine –, aber Emilia wusste, dass es sinnlos war, ihr Hilfe anzubieten und sie zu stützen, denn Rita verweigerte jede Berührung.
    Wortlos musste Emilia zusehen, wie sie ihren Leib erst durch die Gaststube wuchtete und dann die Treppe hochwankte. Sie hörte ein ersticktes Ächzen, doch das blieb der einzige Laut, den Rita von sich gab. Emilia seufzte wieder. Sie wusste, sie sollte aufstehen, die Küche putzen, einige Gästebetten frisch beziehen, den Boden kehren, aber sie fühlte sich zu müde, einfach nur müde. Sie stützte ihre Ellbogen auf den Tisch und vergrub ihr Gesicht in den Händen. Für gewöhnlich verbat sie sich diese Gedanken, doch nun fragte sie sich düster, wann sie sich das letzte Mal halbwegs ausgeruht gefühlt hatte und wie lange sie dieses Leben noch ertragen konnte.
    Auch damals, als sie die Heimat verlassen hatte, war sie durch düstere Stunden gegangen, Stunden voller Kummer und Wehmut, doch es waren auch Stunden des Aufbruchs, der Veränderung gewesen. Neugierde war in ihr erwacht, Abenteuerlust und die Hoffnung, dass sie irgendwo ein einigermaßen passables Leben führen könnte. Nun aber fühlte sie sich einfach nur getrieben. Die Wochen auf Pedros Schaluppe erschienen wie ein Paradies verglichen mit diesen grauen Tagen, und auch die ersten arbeitsreichen Jahre in der Casa Emilia waren so viel besser gewesen, denn damals hatte Rita noch lächeln können und sie selbst sich an der Gewissheit laben, ihr Leben und ihren Schmerz im Griff zu haben. Ein wehmütiges Lächeln erschien auf ihrem Mund, als sie sich an den Tag erinnerte, da sie durch die Pampa geritten war – gemeinsam mit Arthur, dem stolzen, eitlen, charmanten Deutschen, der sie verführen wollte und zur Strafe in einem dreckigen Tümpel gelandet war. Ihr Lächeln verstärkte sich, als sie sich sein empörtes Gesicht vor Augen rief. Wie sie gelacht hatte! Aus voller Seele! Es musste das letzte Mal gewesen sein, dass sie gelacht, dass sie sich so frei gefühlt hatte!
    Und nicht nur an das Lachen erinnerte sie sich, auch an jenen Moment vor Ritas Zimmer. Als die Verzweiflung sie übermannt hatte und Arthur da gewesen war, um ihr, wenn auch hilflos, Trost zu spenden, um sich energisch gegen den Verdacht zu wehren, er könne nur das Geringste mit Esteban und Jerónimo gemein haben, und um sie schließlich zu umarmen …
    Emilia zuckte zusammen. Laut krachend flog die Tür auf, und als sie den Blick hob, hatte sie das Gefühl, sie würde träumen. Hatte sie nicht eben noch an Arthur gedacht, und jetzt stand er ganz plötzlich leibhaftig vor ihr? Unmöglich, das konnte nicht sein! Sie musste ihn sich einbilden!
    Aber dann sah sie Ana an seiner Seite. Ana, das wusste sie, konnte so schnell nichts aus der Bahn werfen, aber jetzt war sie leichenblass und zitterte am ganzen Leib.
    Emilia sprang so abrupt auf, dass der Stuhl polternd auf den Boden fiel. »Gütiger Himmel, was ist denn passiert?«
    Anas Lippen formten tonlos den Namen Esteban.
    »Hat er dir …?«
    Die Angst hämmerte wie eine kalte Hand gegen ihre Brust.
    »Nein, er …«, setzte Ana an. Sie hatte ihre Stimme wiedergefunden, brachte den Satz jedoch nicht zu Ende, sondern deutete auf Arthur.
    »Ich bin gerade noch rechtzeitig gekommen«, sagte dieser.
    Nachdem die beiden ihr alles erzählt hatten, versuchte Emilia, Ana zu überreden, die Nacht bei ihr zu verbringen, aber Ana pochte darauf, in Ernestas Bordell zurückkehren zu müssen. »Wenn ich meine … Arbeit dort vernachlässige, lässt sie mich nie wieder hierherkommen. Und nach dem, was geschehen ist, werde ich zumindest heute Nacht vor Jerónimo und Esteban meinen Frieden haben.«
    Emilia war skeptisch, musste aber unwillkürlich grinsen, als Ana bei ihren letzten Worten triumphierend auf den Revolver deutete – Jerónimos Waffe, die Arthur ihm nicht nur einfach entwendet hatte, sondern aus der er obendrein einen Warnschuss abgegeben hatte. Die Kugel war so dicht an Esteban vorbeigeschossen, dass dessen Haare auf der Stirn erzittert waren, woraufhin dieser Schuft davongelaufen war, als gäbe es kein Halten mehr – nicht nur von Anas Hohngelächter, sondern auch von Jerónimos Flüchen verfolgt. Der hatte ungleich beherrschter auf die Rückgabe der Waffe

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