Jerry Cotton - 0506 - Der Toeter und die grosse Angst
als müsse er an seinem Zorn ersticken. »Ich kann verstehen, daß du dich nicht in meine Burg wagst«, sagte er, »aber ehe ich bleche, muß ich die genauen Zusammenhänge kennen. Du mußt mir erst einmal Gelegenheit geben, mit Pinky zu sprechen. Sonst kommen wir nicht ins Geschäft.«
»Das läßt sich machen«, erwiderte Lanny. »Von mir aus sofort.«
»Ist Pinky bei dir?«
»Nein. Dieser Anruf kommt aus einer Telefonzelle. Wenn du mir versprichst, allein zu kommen, führe ich dich zu Pinky«, sagte Lanny.
»Wann und wo kann ich dich treffen?« Lanny überlegte. »Am New York Naval Shipyard in Brooklyn liegt die Tabu-Bar. Sie dürfte schon geschlossen haben. Kannst du in einer Stunde vor der Bar sein?«
»Okay, einverstanden.«
»Augenblick, Rod. Ich möchte kein Risiko eingehen. Du wirst meine Anordnungen genau befolgen, hörst du?«
»Mach’s nicht so spannend!«
»Ich mache es nicht spannender, als es der Umgang mit Dynamit verlangt«, sagte Lanny. »Du wirst am Rande des Bürgersteigs auf mich warten, allein. Wenn ich mit dem Wagen neben dir stoppe, steigst du ein. Versuche nicht, mich bei dieser Gelegenheit aufs Kreuz zu legen, Rod. Ich werde bewaffnet sein.«
»Das kann ich mir denken«, knurrte Gayer.
Lanny lachte. »Angst?«
»Die überlasse ich dir«, sagte Gayer leise und hängte auf.
***
Vivian Hursts Verhaftung und die Jagd nach dem Spitzelmörder waren die — zunächst völlig getrennten — Ausgangspunkte unserer Ermittlungsarbeit gewesen. Wir hatten dabei gleichsam als Nebenprodukt ein Mörderpärchen geschnappt, das geglaubt hatte, sich hinter dem Verbrechen eines anderen verbergen zu können.
Benjamin Myers hatte gesungen. Wir wußten jetzt, wer der Spitzelmörder war. Unsere Kombinationen hatten sich als zutreffend erwiesen. Wir wußten auch, daß Rod Gayer das Unternehmen inzwischen abgeblasen hatte. Die Spitzel der Stadt konnten aufatmen.
Es war möglich, daß Benjamin Myers, genannt Benny, sein Geständnis schon am nächsten Tag widerrufen würde. Wir hatten jedoch erst einmal Tatsachen ermittelt, die einen Haftbefehl für Rod Gayer rechtfertigten.
Wer Rod Gayer kannte, erkannte auch die Bedeutung dieses Vorganges.
Er war einer der wirklich mächtigen Unterweltsgrößen. Bislang waren für die Verbrechen, die in seinem Kopf entstanden und von ihm befohlen worden waren, immer nur die Leute bestraft worden, die für ihn die Kastanien aus dem Feuer geholt hatten. Diese Leute hatten aus Furcht vor Gayers Rache ihren Auftraggeber geschützt. Sie waren ins Zuchthaus gewandert, weil sie damit rechneten, Gayer werde ihre Haltung honorieren.
Jetzt war Rod Gayer fällig.
Phil und ich trafen morgens gegen halb drei Uhr vor dem parkähnlichen Grundstück am Riverside Drive ein, das als Gayers Hauptquartier galt.
Mr. High hatte darauf bestanden, uns einen zweiten Wagen mit vier weiteren Kollegen mitzugeben. Das war eine Vorsichtsmaßnahme, die davon ausging, daß Rod Gayer oder seine Leute uns Schwierigkeiten machen konnten.
Ich lenkte den Jaguar an den Rand des Bürgersteigs. Hinter Phil und mir stoppte die dunkelblaue Chevrolet-Limousine. Als ich ausstieg, um unser Vorgehen mit den Kollegen abzustimmen, verließ eine große schwarze Cadillac-Limousine die Grundstücksauffahrt.
Am Steuer saß ein besonders schwergewichtiger Bursche. Sein Körperumfang ließ den Schluß zu, daß es sich um Rod Gayer handelte. Er war allein im Wagen. Der Cadillac bog auf den Riverside Drive ein und entfernte sich dann in südlicher Richtung.
»Wartet hier und beobachtet das Haus und das Grundstück«, bat ich die Kollegen. »Ich folge dem Cadillac. Es sieht ganz so aus, als hätte sich unser Freund zu einem nächtlichen Abenteuer entschlossen.«
Sekunden später saß ich wieder neben Phil. Ich kuppelte und legte den Gang ein. »Das war Gayer, eh?« fragte Phil, als wir losfuhren.
Ich nickte. »Ich möchte wissen, was ihn bewogen hat, allein loszubrummen. Er ist ein Mann, der normalerweise niemals ohne einen seiner Gorillas das Haus verläßt.«
»Vielleicht fährt er zu einem Mädchen«, meinte Phil. »Nach Vivian Hursts Verhaftung wird er sich ein wenig einsam Vorkommen.«
»Das werden wir gleich feststellen«, sagte ich.
Die Fahrt ging bis zur 72. Straße. Dort bogen wir auf den Broadway ein. Quer durch die Stadt und über den Times Square folgten wir dann dem Cadillac bis zur Brooklyn Bridge. Ich bemühte mich, einen größeren Abstand einzuhalten, und operierte so, daß wir immer gerade
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