Jerry Cotton - 0521 - Ich bluffte John den Racheboss
hatte aber auch für keinen Nikkei Humor. Er hätte mich in den kleinen Teich hineinspringen lassen sollen. Die Wassertemperatur muß knapp über dem Gefrierpunkt gewesen sein. Vielleicht hätte mich das nüchtern gemacht. Statt dessen versuchte der Optimist, einen total betrunkenen Kerl wie mich mit vernünftigen Argumenten zu überzeugen. Bist du fertig, Mädchen?«
»War ich schon mal nicht fertig, wenn Mr. Morella rief?« erwiderte Sarah Conroy kokett.
»Na, ich habe oft genug auf dich warten müssen«, brummte Morella.
Sie gingen zusammen hinaus, sie fuhren mit dem Lift hinab und durchquerten zusammen die Halle. Draußen blieb Morella einen Augenblick stehen, um seinen Mantelkragen hochzuschlagen.
In diesem Augenblick sah er den schwarzen Buick anfahren, der nicht weit vom Hotel entfernt geparkt hatte. Morella wurde sofort mißtrauisch. Er sah, wie sich das hintere Seitenfenster des Wagens öffnete und etwas Mattschimmerndes darin auftauchte.
Er traf seine Entscheidung im Bruchteil einer Sekunde. Vor ihm lag die leere Straße, die ihm keinen Schutz bieten konnte. Zurück ins Hotel waren es etwa zehn bis zwölf Schritte, und das waren elf zuviel. Er streckte beide Arme aus, umschlang Sarah Conroy von hinten und riß sie an sich, während er sich hinter ihren Körper duckte.
Die Salve aus der Maschinenpistole traf Sarah. Aus weit aufgerissenen Augen starrte sie dem Buick nach, der mit jaulenden Reifen um die nächste Ecke verschwand. Vielleicht begriff sie im letzten Augenblick, auf was sie sich für tausend Dollar eingelassen hatte.
Als Morella sie zögernd losließ, war sie bereits tot.
***
Das Telefon auf meinem Schreibtisch schlug an. Ich nahm den Hörer und sagte meinen Namen. Die Telefonzentrale kündigte einen Anruf von George Baker an.
»Was gibt’s, George?« fragte ich. »Dieser Nick Qualler hat gerade seine Wohnung verlassen und fährt in Richtung Stadtmitte. Um genau zu sein: die 3. Avenue in nördlicher Richtung.«
»Okay. Bleib ihm auf den Fersen und melde der Zentrale, wenn es etwas Besonderes gibt.«
»Geht in Ordnung, Jerry. Darf er mich sehen?«
»Auf keinen Fall. Wenn du die Beobachtung allein nicht mehr ausführen kannst, ohne daß du ihm auffällst, laß dir sofort Verstärkung zuweisen.«
»Okay. Ende.«
Ich legte den Hörer auf und wandte mich an Detective Lieutenant Easton, der noch bei uns im Office saß und gemeinsam mit seinem Sergeant heißen Kaffee trank.
»Sie brauchen sich um Qualler keine Sorgen zu machen, Easton. Er wird von uns beobachtet. Im Augenblick fährt er gerade die 3. Avenue entlang.« Ich warf einen Blick auf meine Armbanduhr und fügte hinzu: »Wahrscheinlich will der Bursche irgendwo zu Abend essen.«
»Dann ist er vernünftiger als wir«, warf Phil ein. »Warum tun wir es nicht diesem Kerl nach und laden auch neuen Kraftstoff? Wer weiß, ob wir später noch dazu kommen. Es könnte durchaus sein, daß Morella bereits heute abend zum großen Schlag ausholt, und dann werden wir genug Arbeit kriegen.«
»Du bist ein kluges Kind«, lobte ich. »Wie wär’s, Easton? Wollen wir gemeinsam in der Nähe was essen?«
»Endlich mal ein vernünftiger Vorschlag«, rief Sergeant Ed Schulz und sprang begeistert auf. »Mein Magen knurrt schon die ganze Zeit. Es wundert mich, daß'niemand was gehört hat.« Easton drückte seine Zustimmung aus, und so standen wir alle auf. In dem Augenblick, da ich mir den Hut auf den Kopf stülpte, ratterte das Telefon.
»Cotton«, sagte ich. »Was ist jetzt schon wieder los?«
»Vor dem ›New American‹ in der 86. Straße wurde eine Frau erschossen. Irgendwie scheint Morella in der Sache mit drinzuhängen!«
»Wir kommen«, sagte ich und warf den Hörer auf die Gabel. »Freunde, hebt euch euren Hunger auf«, sagte ich zu Easton, Schulz und Phil, die mich fragend ansahen. »Aus dem Abendessen wird nichts.«
»Warum nicht?« murrte der hünenhafte Sergeant.
»Eine Frau wurde erschossen, und irgendwie hat John Morella die - Finger im Spiel. Wir müssen sofort in die 86. Straße. Sie können gleich mitkommen, Easton. Es handelt sich um die 86. Straße Ost, also um Ihren Zuständigkeitsbereich.«
»Das freut mich aber«, knurrte der Lieutenant.
Wir machten uns auf den Weg. Die Temperatur war noch mehr gefallen. Zwischen New York und den nördlichsten Ecken von Alaska schien es keinen Unterschied mehr zu geben. Als wir an unserem Ziel ankamen, wimmelte es bereits von Polizisten. Das nächste Revier hatte ein Dutzend
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