Jerry Cotton - 0543 - Das Todeslied der Kapuzenmaenner
drang aus allen Winkeln, jeder Fuge und schien selbst aus dem grellen Strahlenbündel des Scheinwerfers zu mir zu sprechen. Sie schien überirdisch und hallend, wie die Stimme in einem riesigen Kirchenschiff.
»Wie heißen Sie?« fragte sie Stimme. »John Shibell!« antwortete ich heiser. »Geben Sie Geburtsort, Datum und Ihren jetzigen genauen Wohnsitz an.«
Ich gab meine einstudierten Daten an. Zehn Minuten ging das Frage- und Antwortspiel, und ich war nahe daran, Blut und Wasser zu schwitzen. Wäre ich nicht so gut vorbereitet gewesen, hätte hier mein Gastspiel bereits ein Ende genommen.
»Gut, ich bin mit Ihren Antworten zufrieden. Sie decken sich mit den Erkundigungen, die wir über Sie eingezogen haben.«
Ich ahnte, daß man von mir jetzt eine Reaktion erwartete, sonst wäre ich nicht der Mann, für den ich mich ausgab. Ich ließ ein höhnisches Gelächter hören und sagte spöttisch: »Lassen Sie sich von Ihrem Informanten das Geld wiedergeben, das er Ihnen aus der Tasche gezogen hat, denn sonst müßten Sie — um meinen Lebenslauf lückenlos wiedergeben zu können — wissen, daß ich dreimal unter Mordanklage stand und in Colorado eine Zuchthausstrafe von zehn Jahren absitzen sollte.«
»Wir wissen, daß Sie sich der Zuchthausstrafe entziehen konnten, Shibell. Uns ist auch bekannt, daß Sie damals wegen schweren Bandenverbrechens angeklagt waren.«
Ich witterte förmlich die Falle. »Selbst das hat er nicht herausgefunden!« lachte ich geringschätzig. »Die Anklage lautete nämlich auf bewaffneten Bankraub.« Ich richtete mich in meinem Stuhl auf, legte eine wohldosierte Portion Zorn in meine Stimme und sagte: »Und jetzt geben Sie mir die verdammten Pläne, damit ich nach New York zurückfahren kann. Ich habe Ihr albernes Theater nämlich langsam satt!« Für einen Moment war es ruhig im Raum.
»Sie werden sich noch einem Test unterziehen müssen, Shibell. Wir wollen sichergehen!«
»Test? Welche Sicherheitsmaßnahmen soll ich noch durchlaufen, bevor ich diese verfluchten Papiere in die Hand bekomme. Sie wissen doch jetzt, wer ich bin. Also, was soll das ganze Affentheater noch?«
»Es genügt uns nicht zu wissen, daß Sie tatsächlich Shibell sind. Es interessiert uns auch zu wissen, inwieweit wir Ihnen, beziehungsweise Donevan, vertrauen können«, echote die Stimme durch den Raum.
»Da bin ich aber gespannt, wie Sie das anstellen wollen«, rief ich kalt, doch der Schweiß stand mir plötzlich auf der Stirn. Kannte ich nicht selber genügend von Vernehmungstaktik, um zu wissen, wie man jemanden zermürbt? Siedend heiß wurde mir plötzlich bewußt, was das surrende Geräusch zu bedeuten hatte: Es waren ohne Zweifel die Geräusche von versteckten Fernsehkameras. Während ich hier geblendet im Scheinwerferlicht saß, konnte die »Stimme« ungestört mein Mienenspiel beobachten.
An der Tür entstand eine flüchtige Bewegung, aber ich kam nicht dazu, mir darüber Gedanken zu machen, denn die Stimme begann erneut zu sprechen: »Lazaro, präparieren Sie Shibell für unseren Test.«
Im Lichtschein tauchte Capucines Hand auf. Sie hielt manschettenähnliche Metallspangen, die mit Drähten und Litzen verbunden waren.
»Streifen Sie Ihre Ärmel zurück, Shibell!« befahl er aus dem Dunkel. Die Spangen schnappten wie stählerne Armreifen um meine Handgelenke. Eine Hand streifte meine Socken bis auf die Schuhe herunter. Sekunden später fühlte ich auch an den Schenkeln das kalte Metall.
»Wollen Sie mich auf den Elektrischen Stuhl setzen, Lazaro?« fragte ich mit gekünsteltem Lachen.
Die Hand Lazaros erschien wieder im Lichtschein. »Nehmen Sie das, Shibell!« Er knöpfte mir das Oberhemd auf und sagte: »Drücken Sie den Saugmagneten gegen Ihre linke Brust. Er wird sofort halten.«
»Mit allen Schikanen!« brummte ich störrisch.
»Sind Sie fertig?« fragte die Stimme ungeduldig. »Sie sind jetzt an einen Lügendetektor angeschlossen, Shibell. Ich werde Ihnen jetzt Begriffe nennen, die Sie mir nach Ihrem logischen Empfinden beantworten sollen. Verkrampfen Sie sich nicht, ich würde…«
»Sparen Sie sich den Quatsch, Mister!« sagte ich grob. »Über diesen Blödsinn habe ich schon so viel gehört, daß ich darüber eine Doktorarbeit schreiben könnte.«
»Um so besser! Beginnen wir also. Geben Sie Ihre Antworten schnell und ohne Umschweife.«
»Fangen Sie an, verdammt!« fluchte ich.
Sekundenlang herrschte atemlose Stille, dann war die Stimme wieder zu hören. Scharf wie eine
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