Jerry Cotton - 0544 - Atombomben gegen Manhattan
durch das Holz. Die Hitze war schier unerträglich, und der braune Qualm drohte Linda zu ersticken. Ihr Atem ging keuchend. Auf der Zunge spürte sie den beißenden Qualm wie eine zu scharf gewürzte Speise. Ihre Augen tränten.
Plötzlich dachte sie an die Klappe. Linda hatte sie schon am ersten Tag ihres Aufenthaltes in der Hütte entdeckt. Es war eine simple quadratische Bodenklappe, die sich in der kleinen Küche befand. Man konnte, wenn man einen Elmer an einem Strick durch die Öffnung in den etwa zweieinhalb Yard tiefer gelegenen Ausläufer des Teiches ließ, seinen Bedarf an Waschwasser rasch und ziemlich mühelos decken. Das Trinkwasser befand sich in einem besonderen Reservoir außerhalb der Hütte. Es war durch eine Leitung mit der Küche verbunden.
Linda torkelte in die Küche. Sie riß die Klappe auf. Normalerweise konnte sie unter sich das stille blaue Wasser sehen, aber jetzt durchzogen dichte Rauchschwaden den Raum zwischen Wasser und Hütte. Die Pfosten, auf denen die Hütte ruhte, brannten lichterloh.
Linda glitt durch die Öffnung. Sie wußte, das war ihre letzte Chance. Der Rauch, den sie soeben noch gehaßt und gefürchtet hatte, hüllte sie jetzt schützend ein. Er machte es dem Mann, der sicherlich das Vernichtungswerk der Flammen beobachtete, praktisch unmöglich, Lindas Fluchtversuch zu bemerken.
Natürlich gab es ein klatschendes Geräusch, als Linda sich in das Wasser fallen ließ, aber das Prasseln der Flammen und das Knacken des brennenden Holzes übertönte diesen Laut.
Linda konnte nicht tief tauchen, denn der Teichausläufer, der bis unter die Hütte reichte, war ziemlich seicht. Behutsam bewegte sie sich aus der Gefahrenzone auf das hohe Schilf zu, das die Teichufer wie einen Gürtel umgab. Wo es ging, schwamm sie unter der Oberfläche, sonst robbte sie äußerst vorsichtig durch das flache Wasser.
Als Linda rund dreißig Yard von der brennenden Hütte entfernt war, legte sie eine kurze Pause ein. Sie spähte durch das dichte Schilf und sah den Mann an seinem Wagen lehnen. Er rauchte eine Zigarette und beobachtete anscheinend völlig ungerührt das Vernichtungswerk der Flammen.
Linda überkam ein Frösteln. Welche Gedanken mochten dieser Bestie jetzt durch den Kopf gehen? Wie war ein Mensch beschaffen, der eines so unvorstellbar grausamen Verbrechens fähig war? Linda prägte sich sein Gesicht ein, jeden Zug. Sie wußte, daß sie es nie vergessen würde.
Die Empfangsdame des Salons Process 70 war im Hollywoodstil zurechtgemacht und bestach durch tizianrotes Haar und grüne Augen. Ihre aufregende Figur präsentierte sie in einem Minikleid aus schimmerndem Plastikmaterial, das oben nur durch zwei schmale Träger gehalten wurde und einen beträchtlichen Einblick in ihr Dekolleté gestattete.
»Ich möchte zu Mr. Fletcher«, informierte ich sie.
»Sind Sie angemeldet?« fragte mich die Tizianrote mit betörendem Lächeln. Sie griff nach einem Block mit Formularen. Offenbar war es nicht ganz leicht, einen Treff mit dem Meister zu vereinbaren. Ich schüttelte den Kopf. »Nein, Liebste, aber deshalb sollten Sie sich keine grauen Haare wachsen lassen. Es wäre ein Jammer, wenn Ihre berückende Lockenpracht auf diese Weise verunziert würde! Ich melde mich niemals an. Ich bin ein alter Bekannter des Bosses — aus Chicago.«
Die Tizianrote hob die Oberlippe, als hätte ich mich einer vulgären Bemerkung schuldig gemacht. Es sah so aus, als hätte sie eine Abneigung gegen das Wörtchen Boß. Überhaupt schien es, sah man von dem sexbetonten Gehabe der Empfangsdame ab, in dem Laden sehr vornehm zuzugehen. Jedenfalls entsprach bereits die Vorzimmereinrichtung High-Society-Ansprüchen. »Ich will versuchen, Sie anzumelden. Aber dazu benötige ich Ihren Namen.«
Ich hatte eine Idee. »Sagen Sie ihm, daß Skinny-Tinny gekommen sei!«
Skinny-Tinny war eine bekannte Chicagoer Unterweltstype. Er war dafür bekannt, daß er Geld und Puppen liebte und beides ebenso wähl- wie skrupellos verbrauchte. Die gleichen Eigenschaften wandte er bei der Beschaffung dieser Dinge an.
Die Tizianrote zuckte die hübschen runden Schultern. Der Name schien ihr nichts zu sagen. Sie wählte eine Nummer und erklärte: »Hier ist ein Mann, der Sie gern gesprochen hätte, Sir. Er behauptet, Sie aus Chicago zu kennen und nennt sich Skinny-Tinny…«
Ich beobachtete, wie sich die Augen des Girls verblüfft weiteten, und strengte mich an, die Worte Fletchers zu verstehen, aber das schaffte ich nicht. Die
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