Jerry Cotton - 0547 - Der Wuerger aus der Todeszelle
fürchtete sich nicht vor dem Fremden, denn sie besaß ja nichts, was er ihr rauben konnte. Aber sie wußte plötzlich, daß es keine Täuschung gewesen war, als ihre innere Stimme seinen Besuch in einen Zusammenhang mit Henrys Verschwinden gebracht hatte.
»Wer hat eine halbe Million kassiert?« fragte sie atemlos.
»Stellen Sie sich nicht dümmer, als Sie sind! Henry Hopkins hat die Bucks, Ihr Mann!«
»Das ist ausgeschlossen«, antwortete Lilian. Ihre Stimme klang fremd und entfernt.
»Ich warne Sie!« drohte er. »Wenn Sie das Geld nicht herausrücken, sind Sie Ihren Sohn los. Ich nehme ihn mit!«
Lilian begann zu schreien. Erst war Henry spurlos verschwunden und nun dieser Gangsterüberfall! Das war mehr, als sie verkraften konnte.
Mit einem Sprung war Monelli bei ihr. Er preßte der jungen Frau seine feuchte Hand auf den Mund. Lilian biß hinein. Sie hatte nicht die Absicht, sich von dem Banditen überrumpeln zu lassen. Monelli fluchte laut und warf seine Pistole zur Seite. Er begann Lilian Hopkins mit beiden Händen zu würgen. Ihr Schreien mündete in ein erstickt klingendes Röcheln. Monelli gab ihr einen heftigen Stoß. Halb bewußtlos stürzte sie zu Boden.
Die Tür öffnete sich. Auf der Schwelle erschien ein kleiner Junge. Er sah erschreckt und verstört aus. Als er seine Mutter auf dem abgetretenen Teppich liegen sah, lief er weinend auf sie zu.
Monelli zögerte, dann hob er seine Pistole auf und ging zur Tür. »Ich komme wieder!« versicherte er drohend. »Ich lasse mich von keinem aufs Kreuz legen!«
***
»So kann es nicht weitergehen«, erklärte Dick Barton mit mürrischer Miene.
Monelli, der in dem kleinen schäbigen Dachzimmer am Tisch saß und seine Pistole reinigte, warf einen kurzen spöttischen Blick auf den Besucher. »Das mußt du mir schon näher erklären, Dick«, sagte er mit sanfter Stimme.
Barton blieb stehen und schob seine Hände in die Hosentaschen. »Ich habe mich ehrlich gefreut, als ich dich am 20. Juni abholen konnte. Ich dachte, wir könnten von vorn beginnen, aber du hast mich enttäuscht. Du denkst nicht an sachliche Arbeit, du beschäftigst dich nur mit Racheplänen. Damit gefährdest du dich und unsere Organisation.«
»Tony Carter habe ich erledigt, jetzt kommen die anderen dran«, nickte Monelli. »Ich habe kein Hehl aus meinen Absichten gemacht, Dick.«
»Die Boys meutern«, meinte Barton. »Ich kann es ihnen nicht verübeln. Sie haben sich bis jetzt sehr diszipliniert verhalten, um die Bullen zu täuschen.« Monelli setzte die Pistole zusammen. »Ich beschwere mich ja nicht. Du bist es, der in einem fort meckert! Du hast keine Ahnung, was es heißt, in der Todeszelle zu sitzen und auf sein Ende zu warten. Solange ich die alten Rechnungen nicht beglichen habe, bin ich nur ein halber Mensch.«
»Für uns bist du im Moment nicht einmal das! Wen willst du noch abservieren?«
»Ich weiß es nicht genau. Jetzt steht erst einmal dieser Cotton auf der Liste.«
»Die Boys haben stets zu dir gestanden, Hank. Sie tun es noch immer, aber du darfst sie nicht enttäuschen!«
Hank Monelli schlug mit der flachen Hand auf die Tischplatte. »Jetzt reicht es mir aber! Wer ist hier der Boß, verdammt noch mal?«
»Du natürlich! Aber auch ein Boß hat Pflichten. Ein Boß dagegen, der seine Organisation durch Dickköpfigkeit gefährdet, läuft Gefahr, seine Autorität einzubüßen. Ich habe dir diese Bude und gefälschte Papiere verschafft. Ich bin dabei, einen Mann aufzutreiben, der dein Gesicht verändern wird. Ich habe dir den Kleinsender besorgt - aber jetzt erwarte ich von dir endlich Gegenleistungen! Ich verlange, daß du diesen Racheunsinn aufgibst und praktische Arbeit leistest. Du hast Carter erledigt und ihm das Rauschgift abgenommen. Es wird allmählich Zeit, daß wir es an den Mann bringen. Die Konkurrenz hat nichts unversucht gelassen, um sich unseren Marktanteil zu sichern. Für die war deine Verurteilung ein gefundenes Fressen. Es wird verdammt schwer sein, die alten Positionen zurückzuerobern.«
»Du kannst ja alles in die Wege leiten, alter Junge«, meinte Monelli. »In zwei oder drei Wochen bin ich mit von der Partie. Bis dahin mußt du dich schon gedulden.«
»Ist das dein letztes Wort?«
Monelli nickte. »Das ist mein letztes Wort!«
***
Für den nächsten Morgen war mein Besuch im Zuchthaus angemeldet. Bis dahin gab es noch eine Menge zu erledigen. Ich fuhr mit Phil zu Lilian Hopkins. Als sie auf unser Klingeln die Tür öffnete, blieb von innen
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