Jerry Cotton - 0552 - Zur Hochzeit eine Leiche
müßte mich mal an Ort und Stelle Umsehen.«
Harribert zögerte einen Augenblick. Dann sagte er: »Ich lasse Ihnen morgen früh die Schlüssel in Ihr Office schicken. Dann können Sie sich das Lokal so oft ansehen, wie Sie es für nötig halten. Sobald Sie Ihre Pläne fertig haben, rufen Sie mich an. Aber denken Sie daran, daß ich es möglichst schnell haben möchte.«
Milton erhob sich. »Selbstverständlich, Sir«, sagte er. »Ich danke Ihnen für den Auftrag. Sie werden bestimmt mit meiner Arbeit zufrieden sein. Ich erwarte also morgen die Schlüssel.«
Harribert bestätigte es durch ein Nicken und verabschiedete den jungen Architekten. Als der Mann gegangen war, nippte Harribert langsam an seinem Getränk. Um ein Haar hätte ich ihm den Schlüsselbund in die Hand gedrückt, dachte er. Aber er braucht die Scherbenhaufen drüben nicht zu sehen. Layton muß das erst ein bißchen in Ordnung bringen lassen.
Er sah auf, weil ein junges hübsches Mädchen zur Tür hereingekommen war. Es war Dorothy Ambers, die Serviererin von gegenüber, die mit ihrem Chef auch ihren Job verloren hatte. Aber Harribert war ihr noch nie begegnet, und so betrachtete er sie lediglich mit dem Interesse des Mannes für ein hübsches Mädchen. Bis er hörte, was sie an der langen chromblitzenden Theke zu dem Besitzer des Drugstore sagte. Da freilich war seine Aufmerksamkeit schlagartig erwacht.
»Mr. Crendall«, sagte das Mädchen, »können Sie sich zufällig an jemanden erinnern, der vorgestern abend bei Mr. Pantern im Lokal war? Sie schauen durch Ihre Fenster doch direkt auf den Eingang. Und ich bin noch nicht lange genug hier. Ich kenne die meisten Leute gar nicht. Haben Sie nicht jemand hineingehen sehen, von dem Sie mir -den Namen und die Adresse sagen könnten?«
Der Besitzer des Drugstore war ein bulliger Mann mit schwarzbehaarten Unterarmen, die bis über die Ellenbogen bloß waren, weil er seine Hemdsärmel auf gekrempelt hatte. Jetzt runzelte er die Stirn und fragte das Mädchen: »Warum wollen Sie denn jemand von den Gästen haben, Miß Dorothy? Ich habe Ihnen doch gesagt, Sie können sofort einen Job bei mir haben. Achtzig die Woche — und freies Essen. Das sollten Sie sich wirklich überlegen.«
»Es geht mir nicht um einen Job«, erklärte Dorothy Ambers. »Nicht im Augenblick. Das soll nicht heißen, daß ich für Ihr Angebot nicht dankbar wäre, Mr. Crendall. Ich komme bestimmt darauf zurück. Aber im Augenblick brauche ich ein paar freie Tage. Ich will Zeugen für das finden, was vorgestern abend bei uns passiert ist.«
»Warum eigentlich?« fragte Crendall kopfschüttelnd. »Lassen Sie das doch die Polizei machen. Die Cops werden dafür bezahlt.«
Dorothy Ambers stampfte mit dem Fuße auf. Ihr hübsches Gesicht hatte sich zornig gerötet. »Nein, Mr. Crendall!« widersprach sie, während ihre Augen leidenschaftlich blitzten. »Es ist eben nicht nur Sache der Polizei! Ich war dabei, und eine Menge Gäste waren dabei. Vier habe ich der Polizei nennen können. Aber wissen Sie, was diese Leute getan haben? Nachdem sich Mr. Pantern erhängt hat wegen dieser gemeinen Gangster? Sie haben samt und sonders von nichts etwas gewußt! Sie haben gelogen, Mr. Crendall! Wie soll denn die Polizei etwas unternehmen können, wenn niemand den Mut hat, gegen die Verbrecher auszusagen?«
»Holla, holla!« brummte der Mann hinter der Theke. »Sie legen sich aber mächtig ins Geschirr. Was haben Sie davon?«
Dorothy Ambers sah ihn verständnislos an. »Was ich davon habe? Aber, mein Gott, versteht denn das niemand? Ihr könnt doch nicht so tun, als ginge es euch nichts an, wenn sie einen Nachbarn bis zum Selbstmord treiben! Heute war es Mr. Pantern, morgen können Sie es sein, Mr. Crendall!«
»Ich?«
»Sie oder jeder andere«, sagte Dorothy Ambers. »Glauben Sie denn, es gäbe irgendeinen Grund auf dieser Erde, warum Sie nicht genausogut ein Opfer von Verbrechern werden könnten, Wie es Mr. Pantern wurde? Bitte, Mr. Crendall, denken Sie doch einmal nach. Wenn bei uns drüben die Reklame brennt, ist es doch taghell auf dem Gehsteig. Und Sie schauen doch von Ihrer Theke durch die beiden Fenster dort direkt auf unseren Eingang! Sie müssen doch ein paar Leute vorgestern abend gesehen haben, die in unser Lokal kamen! Und Sie kennen hier doch weit und breit jeden!«
»Na ja«, brummte Crendall und fing an, seine Gläser zu polieren. »Natürlich kenne ich die Leute hier. Bin ja schließlich hier geboren. Mein Vater hat schon den
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