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Jillian Hunter

Jillian Hunter

Titel: Jillian Hunter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viel Lärm um Stratfield
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um die briti- schen Interessen zu durchkreuzen?
    Erschrocken öffnete sie die Augen, als die Frau neben ihr sie am Arm schüttelte. „Er muss gebannt werden. Sind Sie nicht auch meiner Meinung, Lady Chloe?"
    „Was haben Sie gesagt?"
    Die Frau blickte sie besorgt an. „Es ist unsere Pflicht, ihn zu bannen."
    „Was mit wem zu machen?"
    „Ihn zu bannen. Ihm seine Ruhe wiederzugeben. Seine ar- me Seele sucht offensichtlich eine Frau, die ihm hilft, seinen Frieden zu finden."
    Chloes Meinung nach hatte die „arme Seele" in der vergan- genen Nacht etwas anderes bei einer gewissen Frau gesucht, und sie zu bannen mochte vielleicht die Antwort darauf sein, vermutlich aber eher nicht.
    „Wie, glauben Sie, sollten wir das anstellen?", fragte sie, während sie schon überlegte, wie sie sich am besten aus der

Sache stehlen konnte.
    Bevor die Matrone antworten konnte, entstand ein Aufruhr in dem Raum. Ein Neuankömmling war eingetreten, eine auf- fallende Zigeunerin mit einem scharlachroten Rock, einem grünen Tuch mit Fransen und zahlreichen protzigen Silber- armreifen an beiden Handgelenken. Ihre funkelnden braunen Augen, die in dem hageren Gesicht über einer kleinen Haken- nase saßen, blickten mit belustigter Verachtung auf ihr Publi- kum.
    Tante Gwendolyn schob einen Chippendale-Stuhl in die Mitte des überfüllten Raumes, damit ihr verehrter Gast Hof halten konnte. „Sagen Sie es uns, Madame Dara", forderte sie die Zigeunerin auf und legte ihre Hände auf die Rücken- lehne des Stuhles. „Sagen Sie uns, wer sein nächstes Opfer sein wird."
    „Madame" Dara, die vermutlich allerhöchstens neunzehn Jahre alt war, umkreiste den Stuhl mit lässiger Anmut. Sie er- kannte ein verzücktes Publikum, wenn sie es sah.
    „Bringen Sie mir etwas zu trinken."
    Die Pfarrersfrau sprang von ihrem Stuhl auf, um ihr eine Tasse Tee einzuschenken. Sie reichte Pamela die Tasse samt Untertasse, die sie ihrerseits an die Frau neben sich weitergab, die sie wiederum mit einer Ehrfurcht, die man vielleicht dem heiligen Gral entgegengebracht hätte, Gwendolyn reichte.
    Madame Dara nahm den Tee und setzte sich. Die anderen Frauen im Raum sahen in fasziniertem Schweigen zu, wie sie trank, als hätte selbst diese einfache Handlung tiefste Bedeu- tung für ihre Zukunft.
    Chloes Augenlider waren schwer vor Müdigkeit. Am liebs- ten wäre sie wieder hinaufgegangen, um an Brandons Brief weiterzuarbeiten, nur hatte sie in den letzten beiden Tagen nicht viel geschlafen. Langsam machte sich bei ihr bemerkbar, wie sehr sie die Geschehnisse der letzten Zeit belasteten.
    „Du wirst es sein."
    Sie hörte, wie alle anderen den Atem anhielten, und blickte neugierig auf. Erschrocken stellte sie fest, dass die Zigeunerin direkt auf das Sofa zeigte, auf dem sie selbst saß. Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Die Zigeunerin konnte auf keinen Fall davon wissen. Sie hatte einfach nur geraten, vermutlich

wegen der Klatschgeschichten, die sie über Chloes skanda- löse Vergangenheit gehört haben musste. Wie ungerecht!
    „Jetzt warten Sie einen Augenblick", sagte sie errötend. „Nur weil ich für Sie eine Fremde bin, ist das noch kein Grund, anzunehmen ..."
    Sie bekam keine Gelegenheit, den Satz zu beenden. Das Ge- rede im Raum wuchs zu einem wahren Orkan von schrillen, erschrockenen Stimmen an, als ein Dutzend Frauen ihr Mitge- fühl mit dem auserwählten Opfer zum Ausdruck brachte.
    „Das ist wirklich ungerecht", verkündete Chloe verlegen.
    Tante Gwendolyn drehte sich mit einem so entsetzten Blick zu ihr um, dass Chloe Schuldgefühle bekam. Kannte die Zi- geunerin möglicherweise die Wahrheit? Nein. Das war unmög- lich. Chloe als die Auserwählte des Geistes zu nennen war ...
    „Ein Fehler", stotterte Tante Gwendolyn. „Das muss ein Fehler sein. Nicht mein unschuldiges kleines Lämmchen."
    Chloe blinzelte und drehte den Kopf, um die junge Frau ne- ben sich anzusehen. Pamela? Die Zigeunerin hatte überhaupt nicht auf Chloe gezeigt, sondern auf ihre Cousine, die wie ein Kobold grinste, weil sie für diese unerwartete Ehre auserko- ren worden war.
    „Ich werde mich mit aller Kraft dagegen wehren", kündigte Tante Gwendolyn kämpferisch an und hob die Faust gen Him- mel. „Der Geist von Stratfield wird meine Tochter nicht be- kommen!"
    Der Geist von Stratfield hatte möglicherweise selbst etwas zu diesem Thema zu sagen, dachte Chloe bei sich. Aber auf- grund der Tatsache, dass sie zum ersten Mal seit Langem nicht mehr im Mittelpunkt des Skandals - sei er

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