Jillian Hunter
bildete sich bestimmt
nur ihrer Schuldgefühle wegen ein, dass er einen Verdacht
hatte. Sie brannte vor Ungeduld, endlich mit Dominic alleine
zu sein.
Das Herz donnerte ihr in der Brust, als die Tanzschritte sie
näher an seinen stahlharten Körper führten. Sein glühender
Blick drang bis in ihr Innerstes vor. „Was wirst du tun, wenn
der Freund deines Onkels nicht erscheint?", flüsterte sie.
„Ein paar Minuten mit dir verbringen. Ich habe es gehasst,
dich in jener Nacht einfach so zu verlassen, und ich bin mir
nicht sicher, ob der Colonel dich nicht beobachtet."
„Mich beobachtet? Warum?" „Zum einen bist du Brandons Schwester und hast ein Inte-
resse daran, zu wissen, wie er ums Leben kam. Und zum an- deren bist du verdammt begehrenswert."
Eine Welle reinsten Glücks schwappte über sie. Sie wollte ihn an sich ziehen und seinen schönen Mund küssen, die Bän- der seiner Maske aufknoten und sein Gesicht und sein dichtes Haar liebkosen, sich an der glühenden Hitze und der Kraft sei- nes Körpers ergötzen. Er schien stärker zu sein denn je. Nun, er war wieder ganz. Ganz der ihre.
„Dachtest du, ich könnte mich von dir fernhalten?", fragte er mit einer sanften, verführerischen Stimme, die sie erschau- ern ließ.
„Jedenfalls hast du es bisher ziemlich gut hinbekommen." Sie blickte ihm in die Augen. „Bist du jetzt wirklich dafür be- reit, Sir Edgar entgegenzutreten?"
„Sag nichts mehr, Chloe."
In ihrem Herzen kannte sie die Antwort ohnehin. Sie spür- te, dass etwas Schwerwiegendes geschehen würde, dass er be- reit war, das Risiko einzugehen. Ein eiskalter Angstschauer lief ihr über den Rücken und erstickte beinah die Freude, die sie bei seinem Anblick empfand. Dies war der Moment, für den er so gekämpft hatte. Der Moment, von dem sie gehofft hatte, dass er nie kommen würde, in dem er seinem schurki- schen Onkel gegenübertreten und Vergeltung fordern würde.
Sein harter Blick begegnete ihrem. Er war entschlossen und zuversichtlich, dass er mit seinen Methoden Erfolg haben würde. „Jetzt. Zögere nicht. Blicke nicht zurück. Wende dich nach links, sobald du an der Garderobe vorbeikommst."
Sie hörte kaum, wie die Musik verstummte, so laut dröhn- te der Puls ihr in den Ohren. Schlagartig entstand ein Strom zum Erfrischungsraum, der ihnen half, ihr Verschwinden zu decken. Sie reihte sich in den Strom der Gäste ein, die hinaus- liefen, um Limonade zu trinken oder bei einer Waffel zu ko- kettieren. Pamela winkte ihr über die Köpfe der Menschen hinweg fröhlich zu.
„Ich gehe meinen Fächer holen", sagte sie als Antwort auf den fragenden Blick ihrer Cousine.
Dominic war verschwunden. Wie oder wohin, konnte sie nicht erraten. Sie befolgte einfach seine Anweisungen und be- mühte sich, dabei so natürlich wie möglich zu wirken. Nun,
da er nicht mehr in Sichtweite war, fiel es ihr leichter, sich wieder auf ihre Umgebung zu konzentrieren, aber die Begeg- nung mit ihm hatte sie sehr aufgewühlt. Sie musste daran denken, was für ein gefährlicher Gegner Sir Edgar war, den man keinesfalls unterschätzen durfte - glücklicherweise war Dominic ihm aber mehr als ebenbürtig, beruhigte sie sich.
Nachdem sie sich durch die Menschenschlange vor dem Er- frischungsraum geschlängelt hatte, zwang sie sich, ruhig auf die Garderobe zuzugehen. Links von ihr gähnte ein dunkler, stiller und verlassener Gang ... Plötzlich nahm Dominic ihre Hand und zog sie fort von den murmelnden Stimmen hinter ihnen. Beinahe im selben Augenblick sah sie, wie Adrian aus dem Schatten trat und sich unter die Menge mischte.
Das Wiedererscheinen des Viscounts blieb nicht unbemerkt. Lord Wolverton war schließlich die beste Partie auf dem Ball und wurde sogleich von jungen und älteren Damen umgeben, die ihn baten, ihnen von seinen Abenteuern zu erzählen.
Dominic grinste. „Schade, dass wir ihn nicht dabei beobach- ten können, wie er all die Wölfinnen abwehrt."
Chloe stupste ihn spielerisch. „Spricht da etwa jemand aus eigener Erfahrung?"
Er grinste zur Antwort, und bevor sie recht wusste, wie ihr geschah, hatte er sie in einen kleinen, dunklen Raum gezo- gen, der offensichtlich als Lagerraum genutzt wurde. Stau- bige Laken bedeckten die Möbel.
„Was ist mit meiner Tante und meinem Onkel?", fragte sie und blickte zur Tür.
„Ich kann dir versichern, dass Adrian sie gekonnt ablenken wird."
„Ist er darin ebenso gut wie du?"
Er lachte. „Vielleicht kannst du das am besten beurtei-
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