Joanna Bourne
wünschte sich zum hundertsten Male, sie könnte sein Gesicht sehen und an seiner Miene ablesen, was er mit ihr vorhatte. Nichts wäre einfacher, als ihr etwas anzutun.
Das tiefe Timbre seiner Stimme versetzte ihre Haut in Schwingungen. »Dieses Hemd ist doch erotischer, als ich es für möglich gehalten hätte. Wenn ich Euch so darin sehe und weiß, dass darunter nichts … als Ihr … steckt.« Er zupfte daran, untersuchte es mit den Fingerspitzen. »Ihr gestattet Euch das Privileg einer langjährigen Geliebten, wenn Ihr Euch einfach so meiner Kleidung bedient. Das sollte mich entwaffnen. Clevere Annique.«
»Ich bin gar nicht so clever«, murmelte sie, was nicht gelogen war.
Seine Hand wanderte an ihr Herz. »Ihr habt genau die richtige Anzahl an Knöpfen offen gelassen. Herzlichen Glückwunsch. Ein einziger weniger, und Ihr würdet die schüchterne Jungfrau spielen.« Er schob zwei Finger ins Hemd, ruckte kurz an dem oberen Knopf und öffnete ihn. »Die Jungfrau ist keine Rolle, in der Ihr überzeugen könnt.«
Solche Dinge konnte er vielleicht zu einer Frau sagen, mit der er ins Bett gehen wollte. Solange er sich so benahm, war kein vernünftiges Gespräch möglich. Sie konnte nichts weiter tun, als dazustehen, ihm zuzuhören und am ganzen Körper zu zittern.
Seine Hand glitt weiter nach unten und fand den nächsten Knopf. »Wenn schon zu viele offen sind, kommt die Herausforderung zu kurz.« Er zog den Knopf heraus. »Männer lieben Herausforderungen.«
Das Pochen ihres Herzens brachte ihren gesamten Körper zum Beben. Ob er wusste, dass ihr Verlangen nach ihm genau dort zwischen ihren Beinen wuchs, wo er sich Befriedigung verschaffen wollte? Höchstwahrscheinlich.
Ein weiterer Knopf wurde befreit. Bald würde sie völlig nackt sein. Ihr Plan, vernünftig mit ihm zu reden, schien nicht aufzugehen.
»Einem Mann juckt es in den Fingern, Euch zu enthüllen, Schleier für Schleier, Eure Geheimnisse bloßzulegen, Euch zu öffnen, um Mysterien zu offenbaren.«
Die gerade so poetisch von ihm beschriebene Stelle ihres Körpers war überhaupt nicht rätselhaft, sondern voller Leidenschaft und Furcht. Sie spannte sich an. Das machte es nicht besser, ganz im Gegenteil. Unterbinden konnte sie es aber auch nicht mehr, und so wurde die Sache für sie immer verzwickter. »Ich habe doch gar keine Geheimnisse. Ihr täuscht Euch.«
»Es wäre so einfach, Euch den Honig zu entlocken. Dafür muss ich lediglich das hier tun … « Seine Finger berührten leicht das Hemd über ihrer Brust. »… und schon springen zwei süße kleine Beeren unter dem Stoff hervor und betteln darum, vernascht zu werden. Genau so. Ja. Das ist Ehrlichkeit. Es dürfte die einzige Art von Ehrlichkeit sein, die Ihr in Euch tragt.«
»Seid nicht so überheblich. Was wisst Ihr schon über mich?«
»Ich weiß, dass Ihr Eure Arbeit mögt. Nicht jeder Frau würde sie gefallen. Ihr gebt uns genau das, was wir verlangen, nicht wahr, hübsche Annique? Leblanc. Henri. Mir. Ihr werdet die ganz private Fantasie eines jeden Mannes. Das, wovon er träumt … nachts … allein. So wie in diesem Moment. Ehe mir klar wird, was ich will, bietet Ihr es mir schon an. Ich habe nie gewusst, dass eine Frau so etwas kann. Kaum dass Euch ein Mann berührt, ist seine Seele in Gefahr.«
»Behaltet Eure Seele ruhig für Euch. Ich will sie nicht.«
»Ich gebe einen Dreck auf das, was Ihr wollt, Annique Villiers. Trotzdem muss man sagen, dass Ihr gut seid. Dieses Geräusch aus Eurer Kehle, dieses Surren wie im Innern eines Bienenstocks. Das ist perfekt. Ich habe es am ganzen Körper gespürt, als Ihr es gemacht habt.«
Seine Muskeln zitterten vor Anspannung. Daran war seine Wut schuld, die sie bislang noch nicht zu spüren bekommen hatte, und sein Begehren, das sogar ein Blinder hätte sehen können. Welchen Vorteil sie aus diesen beiden kleinen Biestern schlagen könnte, davon hatte sie gar keine Vorstellung.
»Es gefällt Euch, die Puppen tanzen zu lassen, hab ich recht? Hier einen Faden ziehen und dann dort. Immer schön sanft, verletzlich und … entgegenkommend sein. Ich glaube, kein Mann auf Erden kann Euch da widerstehen.«
Ohne Warnung packte er sie plötzlich, riss sie an sich und zog sie auf die Zehenspitzen. Sie schnappte nach Luft und krallte sich an ihm fest. »Versucht das nicht noch einmal.« Er schüttelte sie kurz. »Nicht mit mir.«
»Aber, ich mache doch – «
»Keine Spielchen mehr. Legt endlich dieses verdammt aufreizende Hemd ab. Und zieht das
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