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Joanna Bourne

Joanna Bourne

Titel: Joanna Bourne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Geliebte des Meisterspions
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Lalumière. Er hatte jedes Wort von dem gelesen, was dieser Mann jemals geschrieben hatte. In Harrow hatten sie bis in den späten Abend im Gemeinschaftsraum gesessen und leidenschaftlich über seine Bücher diskutiert. Nachdem er Lalumière gelesen hatte, war er selbst schon ein halber Revolutionär geworden.
    »Die Mutter benutzte verschiedene Namen. Lucille Villiers. Lucille Van Clef. Sie und Lalumière tauchten vor etwa zwanzig Jahren aus dem Nichts auf und arbeiteten für die Radikalen. Viele der alten Radikalen gingen sehr diskret mit ihrer Herkunft um. Die Justiz des Königs fiel damals gern über ganze Familien her.« Doyle fing an, das Geschirr zu kontrollieren, indem er über jede Leine strich, die am Pferd anlag. »Lalumière wurde eines Nachts in Lyon aufgehängt, und Lucille landete schließlich in den Diensten der französischen Geheimpolizei. Zweifellos die schönste Frau ganz Europas. Ich könnte dir eine Liste aller Männer geben, mit denen sie geschlafen hat.«
    »Und Annique?«
    »Annique.« Doyle gab einen verdrießlichen Laut von sich. »Na ja. Sie war ihr Leben lang am ›Spiel‹ beteiligt. Ist im Grunde genommen bei der Geheimpolizei aufgewachsen. Fing im Alter von sieben oder acht Jahren an, indem sie kleine Botengänge für Soulier erledigte, als er Chef der Abteilung Südeuropa war. Einige Jahre später wurde sie als Beobachterin nach draußen geschickt. Zu der Zeit zogen sie ihr Jungenkleidung an. Sie gehörte zu Vaubans engerem Kreis und war somit eine von fünf oder sechs Spezialagenten. Sie ist also sehr gut.« Er wischte sich die Hände an der Jacke ab. »In Wien bin ich ihr ein paarmal über den Weg gelaufen. Ist schon ein bezauberndes Ding, aber das allein ist es nicht. Sie würde dir auffallen, selbst wenn sie flach wie ’n Teppich wär. Sie ist doppelt so lebhaft wie alle anderen. Sogar jetzt kann man’s ihr ansehen.«
    Adrian goss ihr ganz dezent noch etwas heiße Milch in den Kaffee und reichte ihr ein Brötchen. Zwei Dinge, die eine Blinde kaum bewältigen konnte, ohne sich dabei zu verraten.
    »Wie Pech und Schwefel«, kommentierte Doyle. »Hübsch, oder?«
    »Hawker ist gut in Vernehmungen.« Seine Stimme verriet nichts von seiner Verärgerung. »Die Frauen mögen ihn. Das ist sehr nützlich für uns.«
    »Könnte funktionieren. Sie ist jung und hat trotz aller Professionalität Angst. Sie wird jemanden suchen, mit dem sie reden kann.« Doyle warf ihm einen Blick zu. »Hawker wird nicht wagen, eine Frau von dir anzurühren. Wollte dich nur ein bisschen ärgern.«
    Verflucht seien die beiden. »Ich setze Annique zu dir auf den Bock. Sie ist schlau genug, nicht von dort herunterzuspringen. Wenn du einen Arm um sie legen könntest, wäre das gut … Ihre Rückenmuskeln ziehen sich nämlich ganz leicht zusammen, bevor sie angreift. Das gibt dir Zeit zu reagieren.«
    »In Ordnung.«
    »Versuch, sie zum Reden zu bringen. Sei nett zu ihr.«
    »Ich spiel gern den Netten.« Doyle verpasste seinem zerfurchten Bösewichtgesicht einen unschuldigen Ausdruck. »Ich frage mich, worüber die reden.«
    »… bei etwa zwei Uhr auf Eurem Teller«, sagte Adrian. »Sie haben das erste Pferd angespannt. Sieht so aus, als ob sie gerade die letzte Tasche aufladen. Wir haben noch fünf oder sechs Minuten.«
    »Dann muss ich schnell essen.« Sie hielt den Blick auf ihre Hände gesenkt. Das war der erste Trick, den sie sich beigebracht hatte. Ihre Augen waren auf die Hände gerichtet, damit ihr Blick nicht umherwanderte und ins Leere starrte, womit alle Welt wusste, dass sie blind war. Sie achtete darauf, dass ihre Hände neben dem Teller blieben. Heute Morgen hatte sie sich schon verbrannt, als sie der Kaffeekanne begegnet war. Das wollte sie nicht noch einmal.
    Das Brötchen lag tatsächlich bei zwei Uhr auf ihrem Teller. Sie teilte es in drei ordentliche Stücke und aß betont langsam. Es war ein harter Weg von Marseille hierher gewesen, und ihr Magen war noch nicht wieder an größere Mengen Essen gewöhnt.
    »Es ist sehr vernünftig von Euch, langsam zu essen«, bestätigte Adrian. »Schließlich habt Ihr vorher großen Hunger gehabt.«
    »Ihr auch, nehme ich an.«
    »Ich musste immer ganz schön hungern, bis ich alt genug war, mir etwas zusammenzustehlen.« Er lachte vergnügt in sich hinein. »Vielleicht wäre ich auch so ein Hüne von Mann wie Grey geworden, hätte ich regelmäßig zu essen bekommen.«
    »Ziemlich wahrscheinlich. Lehnt Euch lieber an, Adrian, wenn Ihr ohnmächtig werden wollt.

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