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John Grisham

John Grisham

Titel: John Grisham Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das Gesettz
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wie viel er hört und versteht, aber es ist mit Sicherheit nicht viel. Einmal in der Woche lächelt er, wenn er die Stimme seiner Mutter hört, und manchmal lächelt er auch, wenn Doyle ihn kitzelt. Aber er reagiert kaum. Überrascht es Sie, dass er noch lebt?«
    Stanley starrte einige Kartons an, die unter das Bett gestopft waren, um den Jungen nicht ansehen zu müssen. Er hatte den Kopf nach rechts gedreht, um Cranwell vor sich zuzuhören, denn soweit er das beurteilen konnte, war sein rechtes Ohr taub. Nach dem Schuss waren seine Ohren immer noch nicht wieder in Ordnung, und wenn er gerade keine anderen Probleme gehabt hätte, hätte er eventuell darüber nachgedacht, ob sein Gehör dauerhaft geschädigt war. »Ja«, antwortete er wahrheitsgemäß.
    »Das habe ich mir gedacht«, erwiderte Cranwell. Seine schrille Stimme war um eine oder zwei Oktaven tiefer geworden. Seine Aufregung hatte sich gelegt. Er war zu Hause, unter Menschen, denen er vertraute. »Denn beim Prozess haben Sie den Geschworenen gesagt, dass Michael seinen achten Geburtstag nicht erleben würde. Eine Lebenserwartung von zehn Jahren sei unmöglich, jedenfalls meinte das einer dieser falschen Sachverständigen, die Sie in den Gerichtssaal gezerrt haben. Sie wollten sein Leben verkürzen, damit der Schadenersatz geringer ausfiel. Erinnern Sie sich daran?«
    »Ja.«
    Cranwell ging jetzt neben Michaels Bett auf und ab, während er mit Stanley redete, und sah zu den vier Männern hin, die an der Wand lehnten. »Michael ist jetzt elf, also haben Sie sich geirrt. Stimmt's, Wade?«
    Wenn er es bestritten hätte, wäre alles nur noch schlimmer geworden. Und warum sollte er die Wahrheit bestreiten? »Ja.«
    »Lüge Nummer eins«, verkündete Cranwell und hielt einen Zeigefinger hoch. Dann trat er ans Bett und berührte seinen Sohn wieder. »Weiter. Das meiste von seinem Essen geht durch den Schlauch da. Spezialnahrung für achthundert Dollar im Monat. Ab und zu kann Becky ihn überreden, feste Nahrung zu sich zu nehmen. Sachen wie Pudding, Eis, aber nicht viel. Er bekommt alle möglichen Medikamente, um Anfälle, Infektionen und so zu verhindern. Für seine Medikamente müssen wir etwa eintausend Dollar im Monat hinlegen. Viermal im Jahr schleppen wir ihn nach Memphis zu Spezialisten, warum, weiß ich nicht, sie können ja auch nichts tun. Aber wir gehen eben hin, weil sie uns sagen, dass wir kommen sollen. Das kostet uns jedes Mal tausendfünfhundert Dollar. Alle zwei Tage braucht er einen Karton Windeln, sechs Dollar pro Karton, einhundert Dollar im Monat, das ist nicht viel, aber wenn nicht genug Geld dafür da ist, sind sie verdammt teuer. Dazu kommen noch ein paar Kleinigkeiten. Dreißigtausend Dollar kostet uns die Pflege von Michael jedes Jahr.«
    Cranwell ging wieder auf und ab, während er sehr überzeugend seinen Fall darlegte. Seine handverlesenen Geschworenen waren bei ihm. Weit weg von einem Gerichtssaal hörten sich die von ihm genannten Zahlen noch viel gewaltiger an. »Wenn ich mich recht erinnere, hat sich Ihr Sachverständiger über diese Zahlen lustig gemacht. Er sagte, die Pflege von Michael würde keine zehntausend Dollar im Jahr kosten. Wissen Sie das noch, Wade?«
    »Ich glaube, ja.«
    »Können wir uns darauf einigen, dass Sie sich diesbezüglich geirrt haben? Ich zeige Ihnen gern die Quittungen.«
    »Sie sind da drüben«, warf Becky ein, während sie auf den schwarzen Aktenschrank deutete. Es war das erste Mal, dass sie etwas sagte.
    »Nein. Ihr Wort genügt mir.«
    Cranwell stieß zwei Finger in die Luft. »Lüge Nummer zwei. Weiter. Derselbe Sachverständige sagte aus, dass eine Vollzeitkrankenschwester nicht notwendig sei. Er tat so, als würde der kleine Michael noch zwei Jahre den lieben langen Tag lang nur wie ein Zombie auf dem Sofa herumliegen und dann plötzlich sterben. Dass Michael zu hundert Prozent pflegebedürftig ist, hat er bestritten. Becky, möchtest du etwas zu >hundert Prozent pflegebedürftig< sagen?«
    Ihr langes Haar war grau und zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Ihre Augen sahen traurig und müde aus. Sie versuchte erst gar nicht, die dunklen Ringe darunter mit Make-up zu verstecken. Becky stand auf und ging zu einer Tür neben dem Bett. Sie machte die Tür auf und zog ein schmales Klappbett herunter. »Hier schlafe ich, fast jede Nacht. Ich kann ihn nicht allein lassen, wegen der Anfälle. Manchmal schläft Doyle hier, manchmal Jim, aber nachts muss jemand hier sein. Die Anfälle kommen immer

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