John Wells Bd. 2 - Netzwerk des Todes
Gefängnis dachte, wirkte es weniger abstrakt. Dieser Gedanke war keineswegs tröstlich. Im besten Fall würde er mehrere Jahrzehnte hinter Gittern verbringen. Vermutlich jedoch den Rest seines Lebens, und dies an einem Ort wie dem Supermax Penitentiary in Colorado, wo die Regierung Theodore Kaczynski festhielt, den Unabomber.
Man würde ihn in Einzelhaft sperren, vierundzwanzig Stunden pro Tag eingeschlossen in einer Betonzelle mit einem
Fenster, das zu eng war, um die Sonne zu sehen. Man würde ihm eine Stunde Training in einem Maschendrahtkäfig aus Stahl zugestehen, beobachtet von Wächtern, die nie auch nur ein Wort sprachen, wie sehr er auch um die schlichte Freundlichkeit eines Gesprächs betteln würde. Und er würde betteln. Dessen war er sicher. Vielleicht bestand der Unabomber auf seiner Privatsphäre. Aber der Maulwurf wusste, dass er nicht so viel Zeit allein verbringen konnte, nicht ohne Computer, Fernsehapparat, oder auch bloß ein Radio als Gesellschaft. Er würde verrückt werden, sich selbst aufschlitzen, nur um etwas zu tun zu haben. Sein Geist würde sich selbst auffressen, bis nichts mehr übrig wäre. Schon der Gedanke, auf diese Weise eingeschlossen zu sein, ließ sein Herz flattern, als würde er einen Marathon laufen und weckte in ihm den Wunsch, in den Keller zu gehen und sich die.357er mit einer Kugel in jeder Kammer in den Mund zu stecken, sodass er jedes Mal dasselbe Resultat bekäme, wie oft er die Trommel auch drehte …
Tief atmend rang er nach Fassung. Er flippte aus, und weshalb? Wegen eines formellen Briefes. Die Agency glaubte nicht, dass er für die Chinesen oder sonst wen spionierte. Sie glaubte, dass er ein Bankkonto hatte, von dem er ihnen nichts erzählt hatte. Dieser Brief war bloß typische Langley-Bürokratie in Aktion, nicht mehr. Er würde zurückrufen, sich besser auf den Test vorbereiten und es hinter sich bringen. Wenn er eines Tages seine Memoiren schriebe, sollte er diesen Zwischenfall samt Brief nicht vergessen. Auf diese Weise würden alle sehen, dass die Agency ihre große Chance vergeben hatte, ihn aufzuhalten.
Als er im Büro für die Terminvergabe der Lügendetektortests anrief, sagte ihm eine erschöpft klingende Sekretärin, dass die Prüfer einen Rückstand aufzuarbeiten hätten
und sie ihm frühestens in einem Monat einen Termin geben könne. Sie klang, als würde sie ihm einen Gefallen tun, als organisierte sie die Reservierungen für ein schickes Restaurant in New York. »Dann also am Donnerstag, den Siebzehnten, nachmittags?«
»Das ist der früheste verfügbare Termin. Wollen Sie ihn oder nicht?«
»Sicher.«
»Ich sehe Sie dann.« Klick.
Damit hatte er den Zwischenfall aus seinem Kopf verbannt, oder zumindest zur Seite gelegt, wie eine Fliege, die in einem anderen Raum herumschwirrte. Sogar nach dem Tod des Verfassers glaubte der Maulwurf, sicher zu sein. Doch dann kamen die Gerüchte auf.
»Haben Sie gehört?«, fragte ihn Gleeson eines Morgens. »Sie führen eine umfassende Untersuchung durch, wie die DPKR« – Nordkorea – »den Verfasser aufgespürt hat. Sie suchen nach Lecks.«
»Ich dachte, wir gingen davon aus, dass die Sache nichts mit uns zu tun hatte.«
»Vielleicht«, sagte Gleeson. »Vielleicht haben wir einen neuen Ames. Auf jeden Fall brauche ich diesen Bericht bis zwei Uhr auf meinem Schreibtisch.«
»Kein Problem«, sagte der Maulwurf, während Gleeson davonschlenderte.
Eine Woche lang hörte er sonst nichts. Dann erhielt er von derselben Sekretärin aus dem Prüfbüro einen Anruf, die zuvor so gelangweilt gewesen war. »Wir müssen Ihren Termin vorverschieben. Haben Sie nächsten Freitag Zeit?«
Der Maulwurf fühlte, wie sich sein Herz verkrampfte. »Freitag? Ich weiß nicht, ich werde nachsehen …«
»In Ordnung. Rufen Sie mich bitte so bald wie möglich zurück. Wenn es am Freitag nicht klappt, dann spätestens nächste Woche.«
»Weshalb denn jetzt diese Eile? Ich meine, ich bin sehr beschäftigt …«
»Das müssen Sie den Prüfer fragen. Ich kümmere mich nur um die Termine.« Klick.
Während der Maulwurf ausdruckslos auf den Hörer in seiner Hand starrte, fragte er sich, womit er diese Behandlung verdient hatte. Er wüsste nur allzu gern, ob sie ihn tatsächlich in Verdacht hatten. Aber wenn man zu viele Fragen über eine Untersuchung nach einem Leck stellte, lenkte man die Aufmerksamkeit der Leute auf sich, die diese Untersuchung leiteten.
Inzwischen hatte sich das Tempo in der Ostasieneinheit
Weitere Kostenlose Bücher