John Wells Bd. 3 - Stille des Todes
erschossen.«
»Der Mann ist schnell«, sagte Kowalski, der sich an die Nacht in den Hamptons erinnerte. »Er sieht, entscheidet und handelt, alles im selben Augenblick.«
»Sperr mich mit ihm in einen Raum. Dann wirst du schon sehen, wer schneller ist«, sagte Tarasow, aber seine Stimme klang unsicher.
»Das glaubst du doch selber nicht«, antwortete Kowalski.
»Sein Ziel hat er nicht erreicht. Markow ist noch am Leben.«
»Das ist Jansky und seinen Leibwächtern bestimmt ein großer Trost. Anatolij, du hast mich dazu getrieben.
Letzten Sommer hast du gesagt, ich soll ihn mir schnappen.«
»Und letzte Woche hast du behauptet, ich wäre nur dafür verantwortlich, mein Gehalt unter die Leute zu bringen.«
Kowalski spürte ein Gefühl der Beklemmung in der Brust. War das der Herzinfarkt, den Dr. Breton ihm prophezeit hatte? Schließlich ließ der Schmerz nach, obwohl er sich immer noch erhitzt fühlte und außer Atem war. Tarasow legte ihm die Hand auf den Arm.
»Meinst du, unser amerikanischer Freund ist zufrieden, wenn ich an einem Herzinfarkt sterbe?«
»Soll ich deinen Arzt rufen?«
Kowalski ließ sich schwer auf einen Stuhl fallen. »Vergiss es. Sag mir nur, was Markow dir erzählt hat.«
»Na ja, er ist blitzartig verschwunden«, begann Tarasow. »Vermutlich mit einem amerikanischen Pass. Der Franzose, der sich für ihn verbürgt hatte, ist am Tag nach den Morden mit einem Diplomatenpass ausgereist. Beide sind abgetaucht.«
»Und was hat Markow getan? Hat er sich an den FSB gewandt?«
»Er glaubt nicht, dass das geht.«
Tarasow erklärte, in welcher Zwickmühle Markow steckte. Er könne Wells nicht beschuldigen, ohne zuzugeben, dass er und Kowalski hinter dem Anschlag von Washington steckten. Damit würde er jedoch seine Freunde beim FSB gegen sich aufbringen. Sie würden außer sich sein und nach Rache dürsten - aber an wem? An Wells, weil er mitten in Moskau Russen getötet hatte? An Markow und Kowalski, die den ersten Anschlag verübt hatten? An allen dreien?
Also halte Markow lieber den Mund. Den Ermittlern der Polizei gegenüber habe er behauptet, keine Ahnung zu haben, wer es auf seine Männer abgesehen gehabt hatte. Jeder wisse, dass Markow zahlreiche Feinde habe. Daher leite nicht der FSB, sondern die örtliche Moskauer Polizei die Ermittlungen, die sich logischerweise auf Russland konzentrierten. Außerdem habe der FSB andere Probleme, so Tarasow.
»Andere Probleme?«
»Dazu komme ich gleich.«
»Markow hat also Zeit gewonnen. Für ihn und für uns. Weiß er, wie Wells ihn gefunden hat?«
Tarasow schüttelte den Kopf. »Er denkt, die Amerikaner müssen mit ihren Ermittlungen weiter sein, als irgendjemand ahnt.«
»Weiß Wells von mir?«
»Markow hat keine Ahnung. Er meint, wir sollten uns einfach eine Weile bedeckt halten. Wells in Ruhe lassen. Wells muss klar sein, dass er im Augenblick nicht an uns herankommt, sagt er. Wenn er weitermacht, wird das sowohl für Amerika als auch für Russland katastrophale Folgen haben. Markow hat in Washington zwei CIA-Agenten getötet, Wells drei von Markows Männern in Moskau. Damit sind sie quitt.«
Kowalski überlegte. »Selbst wenn Wells das auch so sehen sollte, wäre er nur mit Markow quitt, aber nicht mit mir. Wenn er denkt, ich hätte den Anschlag angeordnet, wird er nicht ruhen, bis er mich aus dem Weg geräumt hat. Tatsächlich …«
Kowalski verstummte, während er überlegte, ob der nächste Schritt für Markow ebenso offensichtlich war wie für ihn selbst. Wahrscheinlich. Vermutlich suchte Markow
bereits nach Wells. Um ein Geständnis abzulegen. Sich zu entschuldigen. Und Wells einen Namen zu nennen: Pierre Kowalski. Sie erinnern sich doch noch? Ja, genau der hat mich engagiert. Vielleicht hatten Sie das ja schon vermutet, aber ich dachte, Sie wollten Gewissheit haben.
Und nach diesem Telefonat … Würde Wells nur noch ein Ziel haben. An Markow kam er nicht heran. Er hatte in Moskau schon mehr riskiert, als gut gewesen war. Aber Zürich war nicht Moskau, und Kowalski hatte nicht den Kreml hinter sich. Am schlimmsten war, dass Kowalski nichts anzubieten hatte, um Wells von der Jagd auf ihn abzubringen. Vielleicht sollte er sich Nadjas Rat zu Herzen nehmen und sich wünschen, dass Wells einfach verschwand.
Kowalski griff in seinen Schreibtisch, wo er eine zerknüllte Packung Dunhills aufbewahrte. Er hatte seit Jahren nicht geraucht, aber heute Abend schien eine gute Gelegenheit, wieder anzufangen. Vielleicht konnte er sich zu Tode
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