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Jonathan Harkan und das Herz des Lazarus (German Edition)

Jonathan Harkan und das Herz des Lazarus (German Edition)

Titel: Jonathan Harkan und das Herz des Lazarus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Ahner
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sicher?«
    »Er hat Papa mitgenommen. Er sagte, ich habe ihm Aurora genommen und jetzt zahle ich den Preis dafür.«
    Cassius’ wettergegerbtes Gesicht versteinerte. Furcht, Zorn, Entsetzen und Fassungslosigkeit rangen miteinander in seiner Brust.
    »Sucht ihn«, schrie er. »Schwärmt aus und sucht Cornelius. Er kann nicht weit sein.«
    Mit Lampen und Fackeln in den Händen verteilten sich die Menschen und durchkämmten die Burg und die umliegenden Wälder. Cassius selbst nahm sich die verborgenen Winkel vor, suchte im Bergfried, auf den Wehrgängen oder im Keller. Ohne eine Spur. Jonathan half, so gut er konnte, auch wenn die Angst ihn fest gepackt hielt. Ein grauer Schleier hing vor der Welt, alles wirkte fremd und unwirklich. Der Gedanke, dass seinem Vater etwas zugestoßen war … nein, das war unmöglich! Das durfte nicht sein!
    Er suchte, bis der Morgen dämmerte und Tau im Gras seine Schuhe durchnässt hatte. Cassius erwartete ihn im Burghof. Er hatte schlechte Nachrichten.
    »Jonathan …«, begann er sanft.
    Es waren keine weiteren Worte nötig. Jonathan wusste genau, was sein Onkel ihm sagen wollte. Er fiel ihm in den Arm.
    »Wir finden ihn. Und wenn es das Letzte ist, was wir tun.«
    Der Schmerz war unerträglich und ließ sich durch keine Träne lindern. Plötzlich klang das Angebot des Weltenwanderers sehr verlockend: Wie mochte es wohl sein, wenn nichts mehr wehtat, wenn keine Trauer das Herz quälte, wenn Leid und Verlust einfach verschwanden? Wenn man unsterblich war, ohne jemals Krankheit, Tod und Schmerz fürchten zu müssen? Jonathan wusste nicht, ob seine Eltern noch lebten oder ob er sie jemals wiedersehen würde. Cassius hielt ihn fest, und Jonathan spürte das raue Leder seiner Weste auf dem Gesicht, als er leise schluchzend in seinen Armen versank.

Vierundzwanzigstes Kapitel
Iridionh
    Der Reihe nach verließen die Besucher Bärenfels, nahmen Abschied von Cassius, umarmten sich, versicherten sich ihre Freundschaft und versprachen sich ein baldiges Wiedersehen. Einige kamen auch zu Jonathan, um ihm ihr Mitgefühl auszudrücken und Hoffnung zu schenken: Bestimmt würde der Große Kreis nichts unversucht lassen, um seine Eltern zu retten.
    »Dein Vater war ein guter Mensch, Jonathan«, sagte Frank und legte ihm die Hand auf die Schulter. »Du musst daran glauben, dass er lebt! Denn das tut er.«
    Jonathan horchte in sich hinein, ob er das Gefühl teilen konnte. Sein Herz gab ihm keine Antwort. Da war nur Leere und Verzweiflung. Frank sah ihn mitfühlend an.
    »Wir werden ihn suchen. Wir werden nicht aufhören, bis wir ihn gefunden haben. Pass auf dich auf, mein Junge.«
    Mit einem hoffnungsspendenden Lächeln verließ er ihn. Die letzten Besucher folgten ihm, dann wurde es still auf der Burg. Schwere Wolken drückten mit gewittriger Stille auf sie nieder. Jonathan zog sich in die Dunkelheit seines Zimmers zurück und legte sich auf sein Bett. An Schlaf war nicht zu denken, trotz der bleischweren Glieder.
    Er starrte an die Decke und wartete, ohne zu wissen worauf. Gesichter tauchten vor ihm auf und verschwanden wieder. Er hörte Stimmen, Schlachtrufe und Gelächter. Noch einmal kehrte er zurück zum Anfang, saß wieder in Cornelius’ Wagen und sah sein Gesicht vor sich.
    Ich kann dir nicht sagen, wohin ich gehe oder wann ich zurückkomme, Jonathan. Aber ich komme zurück …
    »Versprich es!«, hatte Jonathan gesagt.
    Ein Lächeln war über das Gesicht seines Vaters gehuscht.
    Ich verspreche es.
    Ich verspreche es.
    Ich verspreche es …
    Das Echo seiner Stimme verklang leise, und Jonathan spürte, wie eine Träne über seine Wange rollte. Cornelius würde sein Versprechen nicht einhalten können. Dieses Mal nicht.
    * * *
    Zwei Tage vergingen, in denen er sein Bett nur für das Nötigste verließ. Auch Cassius war wieder zu dem schweigenden Eigenbrötler geworden, als den er ihn kennengelernt hatte. Es war wohl seine Art, den Verlust seines Bruders zu betrauern.
    Am Abend des dritten Tages bemerkte Jonathan Feuer im Burghof und verließ sein Zimmer. Er sah, dass Cassius persönliche Dinge verbrannte: Schriftsätze, Souvenirs, Teile seiner prächtigen Sammlung an Kunst und Krempel. Er setzte sich neben ihn und starrte in die Flammen, die gerade ein ganzes Bündel alter Notizbücher verschlangen, handgeschriebene Berichte seiner vielen Expeditionen.
    »Du bist viel weiter gereist als nur in dieser Welt«, stellte Jonathan leise fest, als er die Skizze eines seltsamen Spinnenwesens sah, das einen

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