Jonathan Harkan und das Herz des Lazarus (German Edition)
Bruder.« Er gab Kräuter in die Kanne und verrührte sie. Als er sein Gebräu für gut befand, verteilte er es auf drei Tassen und schüttete den Rest in eine Thermoskanne. »Wir haben kaum geschlafen und sind geschwächt. Ein heißer Krafttrunk wird uns guttun. Nehmt einen Schluck!«
Das ließ sich Jonathan nicht zweimal sagen. Der Geschmack von Pfefferminz und Kamille machte sich in seinem Mund breit. Der Tee wärmte von innen und gab ihm Kraft; mit jedem Schluck, den er trank, spürte er das Kribbeln, das seinem Körper neue Energie verlieh.
Als er den letzten Tropfen ausgeschüttet hatte, drehte Cassius die Kanne sorgsam um und ließ das Herz des Lazarus in seine Hand fallen. In ein Tuch gewickelt reichte er es an Jonathan weiter. »Jetzt liegt es bei dir, mein Junge.«
Mit klopfendem Herzen nahm Jonathan den Stein entgegen und steckte ihn ein. Sein Gewicht war gering, und doch konnte er ihn spüren wie eine schwere Last. Plötzlich hatte er Zweifel, ob er diesen Auftrag wirklich erfüllen konnte. Was, wenn er versagte? Was, wenn Riot ihm den Stein abnahm? Die Angst nistete sich in seinem Herzen ein. Er wollte nicht, dass sein Vater und Cassius es bemerkten. Er durfte es nicht zeigen. Blieb nur noch eines, was er tun musste. Er krempelte seinen Ärmel hoch und deutete auf das Eyn.
»Ich gebe es dir zurück, Papa«, sagte er.
Cornelius wehrte vehement ab. »Kommt nicht infrage! Ich habe es dir aus einem guten Grund überlassen.«
»Aber du musst kämpfen, und es macht dich stark! Du hast es nötiger als ich.«
Cassius legte ihm die Hand auf die Schulter. »Ich hasse es, das zu sagen, Cornelius, aber der Junge hat recht. Wir müssen hier die Stellung halten. Zumindest so lange, bis Hilfe kommt. Das sind wir den Menschen schuldig.«
»Du hast versprochen, dass du mich nicht allein lässt«, sagte Jonathan leise. »Aber wenn dir etwas passiert, dann bin ich allein.«
Cornelius rieb sich über die Stirn. Es war nicht zu erkennen, ob er wütend oder einfach nur müde war. Schließlich lenkte er ein.
»Nun gut, ich sehe schon, ihr zwei habt euch gegen mich verschworen. Ich füge mich, aber unter Protest.«
Widerwillig nahm er Jonathans Arm, ging mit seinen Lippen nah an das Eyn heran und flüsterte ihm etwas zu. Dieses Mal war Jonathan aufmerksam und achtete genau auf die Worte. Es war kaum lauter als das Wispern des Windes.
»Bitte kehre zu mir zurück«, sagte er leise. »Schütze und behüte mich!«
Gespannt wartete Jonathan auf das bläuliche Schimmern und die Verwandlung des Eyn. Würde es wieder zu einem Ring werden? Oder kehrte es in ganz anderer Form zu seinem Vater zurück? Sekunden vergingen, und es geschah … nichts. Stirnrunzelnd versuchte Cornelius es ein zweites Mal. Das Eyn blieb kalt und fest. Langsam wurde er nervös. Er tauschte einen Blick mit Cassius, der ein Schulterzucken andeutete.
»Kehr zu mir zurück!«, bat er ein drittes Mal.
Nichts.
Verwundert berührte Jonathan den Armreif. Er hatte sich an das Eyn gewöhnt, es war zu einem vertrauten Begleiter geworden, den er ungern verlor. Aber es gehörte ihm nicht, es gehörte seinem Vater.
»Bitte geh zu ihm!«, bat er. »Er braucht dich nötiger als ich.«
Der Armreif bewegte sich nicht. Nach Sekunden ratlosen Schweigens brach Cassius die Stille. »Das Eyn hat entschieden. Es will bei Jonathan bleiben.«
Cornelius nickte. Er schien nicht enttäuscht, im Gegenteil. Ein Lächeln überflog seine Lippen. Das kleine Wunderding hatte die Diskussion in seinem Sinne beendet. Cassius schien seine Meinung nicht unbedingt zu teilen, schwieg aber und reichte Jonathan seinen Rucksack.
»Ich habe dir etwas zu essen eingepackt, außerdem ein scharfes Messer, eine Lampe und ein Feuerzeug. Und zu guter Letzt noch das hier.«
Er steckte ihm die Thermosflasche mit dem heilenden Wasser zu. Jonathan wollte protestieren, aber Cassius verschloss ihm den Mund mit seiner Hand.
»Ich war nicht untätig, ich habe auch etwas von dem Heiltrank für mich und deinen alten Herrn produziert, keine Sorge. Diese Kanne gehört dir. Trink immer wieder davon. Der Tee wird dir Kraft geben und dich wärmen. Es ist kalt dort draußen, vergiss das nicht!«
Cornelius nahm ihn zur Seite und nickte seinem Bruder zu. »Kann ich kurz allein mit Jonathan sprechen?«
Cassius zeigte Verständnis, mahnte aber dennoch: »Keine langen Verabschiedungen, Cornelius. Für das, was wir vorbereiten müssen, bleibt nur noch wenig Zeit. Jonathan, wenn du hier fertig bist, erwarte ich
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