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Jonathan Harkan und das Herz des Lazarus (German Edition)

Jonathan Harkan und das Herz des Lazarus (German Edition)

Titel: Jonathan Harkan und das Herz des Lazarus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Ahner
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allerdings der Gedanke, Riot und seinem Rudel von Wölfen über den Weg zu laufen. Schweren Herzens nahm er den Rucksack ab – er würde ihn vor sich herschieben müssen – und setzte sich an den Rand des Lochs.
    »Dort unten ist nichts, was dir gefährlich werden könnte, außer vielleicht ein paar Spinnen und Ratten«, bekräftigte Cassius noch einmal. »In der Wand sind genügend Vorsprünge und Nischen, du kannst dich also bequem herunterhangeln.« Er legte ihm die Hand auf die Schulter und sah ihm dabei fest in die Augen. »Sei vorsichtig, Junge. Auf ein baldiges Wiedersehen, Jonathan.«
    Irgendwann einmal vor langer, langerZeit (war es tatsächlich erst gestern gewesen?) hatte Jonathan seinen Onkel gehasst. Jetzt war er froh, dass er bei ihm war.
    »Ganz bestimmt, Onkel Cassius.«
    Cassius lächelte, und zum ersten Mal ließ er den »Onkel« unkommentiert. Jonathan klemmte seine Taschenlampe zwischen die Zähne und ließ sich in das Loch hinab. In dem porösen Gestein fanden seine Füße problemlos Halt. Meter um Meter hangelte er sich nach unten, bis er festen Boden unter sich spürte. Der Gang krümmte sich und führte nun waagerecht ins Erdreich hinein. Das Licht der Taschenlampe drang bis zu einem feinen Netz aus Wurzelwerk vor, dahinter lauerte eine Wand aus Schwarz. Ein leises Frösteln überkam ihn bei den Erinnerungen an all die Geschichten über Kreaturen, die in den Eingeweiden der Erde hausten. Er schüttelte sie ab und kroch auf allen vieren voran. Seinen Rucksack schob er vor sich her. Hinter ihm fiel der Gang wieder in Finsternis. Geräusche wurden in der Enge verschluckt, der Geruch von modriger Feuchtigkeit hüllte ihn ein, Zeit verlor ihre Bedeutung. Irgendwann wusste er nicht mehr, ob er seit Minuten oder Stunden durch die Dunkelheit kroch. Nur eines war gewiss: Mit jedem Augenblick, den er länger hier unten verweilte, wurde es schwieriger, die Angst zu bekämpfen. Wenn sich nun Gestein aus der Decke löste und den Gang verschüttete, dann würde er eines Tages einen hübschen Fund für Archäologen abgeben.
    Der Gang wurde schmaler, und er musste auf dem Bauch robben. Sein Fuß berührte einen Stein und riss ihn aus der Wand. Erde rieselte von der Decke herab. Entsetzt wollte Jonathan das Schlimmste verhindern, doch es war zu spät: Der Gang hinter ihm wurde mit Geröll verschüttet. Seine kaum vorhandene Bewegungsfreiheit hinderte ihn daran, sich umzudrehen und sich den Rückweg freizugraben. Jetzt gab es nur noch einen Weg: nach vorne. Mit klopfendem Herzen kroch er weiter und stieß gegen eine Wand aus Geröll. Für einen schrecklichen Augenblick hatte er den Verdacht, dass auch der Ausgang in sich zusammengefallen war. Dann erinnerte er sich an einen Trick, und er fischte eine Streichholzpackung aus seinem Rucksack. Er entzündete eines der Streichhölzer. Die Flamme flackerte wild und erlosch, als er es an eine Lücke zwischen den Steinen hielt. Ein Luftzug!
    Mit aller Macht versuchte er, die Steine zu lockern. Sie waren fest ineinander verkeilt, und die Kälte ließ seine Hände trotz der Handschuhe schnell taub werden. Endlich gelang es ihm, einen faustgroßen Kiesel zu lockern und hinter sich zu bugsieren. Weitere folgten, bis er ein Loch geschaffen hatte, durch das er den sternenklaren Nachthimmel sehen konnte. Er wollte raus aus diesem Maulwurfsgang. Zügig erweiterte er das Loch, schob Steine, Wurzeln und Dreck zur Seite und schuf sich einen Durchgang, der breit genug war, dass er sich hindurchzwängen konnte. Er kroch hinaus, während er seinen Rucksack hinter sich herzerrte, und fiel in den Schnee.
    Jetzt spürte er die eisige Kälte, die hier draußen herrschte. Er fand sich zwischen den verfallenen Mauern einer Ruine wieder, so wie Cassius es ihm vorausgesagt hatte. Seine Freude über die wiedergewonnene Freiheit währte allerdings nur kurz. Stimmen näherten sich und erinnerten ihn daran, in welcher Gefahr er schwebte. Er versteckte sich und sah zwei Männer auf sich zukommen: das hagere Pockengesicht mit der Löwenmähne, den Riot »Seppuku« genannt hatte und ein untersetzter Dickwanst, der ein Schlachtmesser vor seinen buschigen Brauen kreisen ließ wie ein wild gewordener Metzger.
    »Verdammt, ich hab schon wieder Hunger«, maulte der Lockenkopf.
    »Du bist vielleicht ein verfressenes Rabenaas«, gab sein dicker Begleiter zurück. »Fressen, fressen, fressen – ist das alles, woran du denkst?«
    »Das liegt an der Kälte. Muss dieser Irre auch immer mit den

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