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Josef und Li: Roman (German Edition)

Josef und Li: Roman (German Edition)

Titel: Josef und Li: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Vovsova
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geschickt, dann ist doch alles klar!«
    Auch wenn Josef ähnlich wie Herr Klička über den Brief dachte, fühlte er sich verpflichtet, ihn zu verteidigen.
    Er, Li und Vendula hatten ihn am Nachmittag gemeinsam geschrieben. Ginge es nach ihm, würde der Brief ganz anders klingen, aber die Mädchen waren in der Überzahl und sagten, er würde sich in solchen Dingen nicht auskennen, und das, was er geschrieben hätte, wäre kompletter Schwachsinn.
    Sie strichen ihm alles heraus, was er sich ausgedacht hatte, und ließen nur das Wort Feuersbrunst stehen, das sie allerdings in einen völlig neuen Zusammenhang stellten. Josefs Text ging nämlich so:
    Wenn es brennen würde, Marta, dann würd’ ich reinstürmen und die Feuersbrunst löschen und selbst wenn Dir die Haare und Wimpern abbrennen würden, mich würd’ das gar nicht so stören, ich würd’ ruhig warten, bis Dir neue wachsen.
    Und jetzt, als er sah, dass Marta wegen dem Brief hin und
weg war, musste er zugeben, dass die Mädels mehr davon verstanden als er. Und dann ging er wirklich die Schildkröte suchen.
    Die Frau Lehrerin hatte nämlich für den Dienstag alle Haustiere der Klasse 5a zum Nachmittagsunterricht eingeladen. Und so sah es in der Klasse nicht mehr wie in einer Schule, sondern wie in einem Zoo aus. Oder wie in einer Schule für Hamster, Hündchen, Meerschweinchen, Katzen und Kater, Fische, Wellensittiche. Die Einladung galt auch für Hnízdils Chamäleon Leon, für Šíšas Kaninchen sowie für Máchals Lurch, der in einem bis zum Rand mit Moorwasser gefüllten Einmachglas hauste.
    Jeder brachte an diesem Tag ein Tier mit, nur Helena Bajerová – so schien es auf den ersten Blick – hatte keines dabei. Und jeder sollte ein paar Worte über sein Tier sagen.
    »Das ist der Hund unseres Nachbarn«, sagte Josef und deutete auf Olík, als er an der Reihe war. »Wir haben eine Schildkröte. Aber die konnte ich nicht finden. Manchmal kriecht sie irgendwo hinein und kommt dann vielleicht ein halbes Jahr später wieder heraus. Sie ist ganz schön gerissen. Zuerst haben wir sie immer gesucht, aber jetzt machen wir das nicht mehr. Wenn sie will, kommt sie raus, wenn nicht, dann nicht.«
    Dann stellte Šíša sein Kaninchen namens Karotte vor und sagte: »Er macht überall seine Kotkugeln hin, aber das macht nichts, weil sie gar nicht stinken. Und wenn sie trocknen, sehen sie wie Schokokugeln aus.«
    »Die sehen aber nur so aus«, bemerkte Máchal eher für
sich, der einmal eins probiert und gleich wieder ausgespuckt hatte.
    Als Helena Bajerová an der Reihe war, wollte die Frau Lehrerin sie gleich überspringen, weil es schien, als hätte Helena gar kein Tier mitgebracht, doch dann stand Helena auf und zog eine kleine Schachtel aus der Tasche. Und aus der Schachtel einen Marienkäfer.
    »Sie heißt Laura«, sagte Helena und blickte stolz um sich, als ob sie mindestens einen goldenen Skarabäus in der Handfläche halten würde. »Ich habe sie vor dem Erfrieren gerettet. Sie mag es warm.« Den Kindern und der Frau Lehrerin spielte ein Lachen um die Mundwinkel, aber Helena fuhr tapfer fort: »Die Mama will kein Tier im Haus, sie sagt, das wäre Tierquälerei, wenn man in der Stadt wohnt. Also hab ich Laura. Sie mag die Stadt.«
    Helena hätte noch länger über Laura sprechen können – und auch über die Katze im verlassenen Garten, die sie schon seit gut zwei Wochen zu zähmen versuchte, aber die Katze fraß immer nur das Fleisch aus der Dose und ließ sich nicht ein einziges Mal streicheln –, als plötzlich die Tür aufging und Li Nguyen mit ihrem Papagei in die Klasse trat.
    Der Papagei löste bei allen, aber hauptsächlich bei der Frau Lehrerin große Bewunderung aus. Besonders als er vor der ganzen Klasse auf Vietnamesisch »Guten Tag« krächzte.
    »Der ist aber schön! Und wie gut erzogen er ist!«, schmolz die Lehrerin dahin. »Komm, erzähl uns etwas über ihn, Li!«
    Aber Helena war mit ihrem Vortrag über den Marienkäfer noch nicht fertig. Sie räusperte sich vorsichtig, um die Aufmerksamkeit
wieder auf sich zu ziehen, und fing an, die Punkte auf den Deckflügeln des Käfers zu zählen. Sie zählte bis sieben.
    Doch die Frau Lehrerin hatte nur Augen für den Papagei. »Ausgezeichnet, Helenka, du kannst wieder auf deinen Platz zurück, das war sehr interessant …«, beendete sie Helenas Rede vorzeitig und übergab Li das Wort. Und die legte gleich los und erzählte, der Papagei wäre in Vietnam geboren, er wäre ein höchst seltenes Exemplar

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