Judasbrut
von sich, der irgendwo zwischen wahnsinnigem Lachen und
verzweifeltem Schluchzen lag. »Ich wollte niemanden umbringen. Ich musste die
Wirksamkeit testen. Ich habe ihnen Geld gegeben – damit
sie sich ihr erbärmliches Leben ein bisschen schöner machen konnten. Mit
Alkohol. Aber einige kamen nicht regelmäßig, um die Phagen zu nehmen. Sie haben
einfach nicht verstanden, wie wichtig das war. Es war nicht meine Schuld. Die
Opfer waren nötig, um andere zu retten!« Er klang wütend. »Und Bianca war ungeschickt!
Als ich zu ihr kam … ich hatte keine Zeit mehr, andere Phagen zu suchen. Ich wollte
ihr helfen! Ich wollte es! Bei Gott! Ich wollte es!« Seine Stimme überschlug
sich. »Sie lag im Sterben … sie sollte nicht leiden. Und ich konnte nicht riskieren, dass
jemand von meinem Erreger erfuhr. Ich will niemandem schaden! Ich bin
Wissenschaftler! Ich helfe den Menschen! Du weißt es, Perez! Du weißt doch,
dass ich niemandem schaden will.«
Mit
unbewegter Miene hatte Perez zugehört. Jetzt ging er zwei Schritte vor und nahm
die zweite Hand an seine Pistole. »Nein, das weiß ich nicht. Setz den Rucksack
ab! Sofort!«
Eichmüller
streckte den Hahn in seine Richtung aus. Perez zuckte nicht einmal mit der
Wimper. Flüchtig fragte Maria sich, ob Perez in kritischen Situationen immer so
war, oder ob er sich einfach nur sicher war, dass die Phagen ihn im Zweifel
heilen würden. Sie selbst musste sich mit aller Macht davon abhalten, nicht
zurückzuweichen. Sie hatte panische Angst vor dem Feind, den sie nicht sehen
konnte. Wo Paul war, wusste sie nicht, doch Jens stand ebenfalls mit gezogener
Waffe nicht weit von Eichmüller entfernt. Seine Hand zitterte.
Wie
durch Geisterhand waren die Festbesucher aus ihrer unmittelbaren Nähe
verschwunden. Nur die Musik dudelte unaufhörlich weiter. Maria sah aus dem
Augenwinkel Beamte der Bergwache. Jens gab ihnen Zeichen zurückzubleiben. Paul
tauchte plötzlich bei ihnen auf. Maria gönnte sich einen kurzen Moment der
Erleichterung, denn Eichmüller hatte keine Chance mehr zu entkommen. Doch das Überraschungsmoment
war vorbei und niemand war darauf erpicht, etwas von dem Bier abzubekommen.
Also wie sollten sie Eichmüller außer Gefecht setzen? Selbst wenn er
angeschossen wurde, war er immer noch in der Lage, das Bier zu versprühen – außerdem bestand die Gefahr, den Rucksack zu treffen. Maria hatte keine Ahnung,
wie es um die Ansteckungsfähigkeit des Erregers bestellt war.
»Warum
hast du Sara beschuldigt, dass sie dich umbringen wollte?«, rief Perez gerade.
»Sie hat dir nichts getan!«
Eichmüller
gab einen abfälligen Laut von sich. »Sara war zu neugierig und ich musste sie
für eine Weile beschäftigen, damit sie aufhört, ihre Nase in Dinge zu stecken,
die sie nichts angehen. Aber sie war leider klüger, als ich dachte.«
»Beleidige
nicht meine Schwester!«, fuhr Perez auf.
Jetzt
kam Eichmüller einen Schritt näher auf Perez zu. »Sie hat nicht verstanden,
dass ich etwas Großartiges vorhabe. Etwas, das die Welt verändern wird! Bianca
hat mich verstanden. Sie hat mich unterstützt – doch
das wäre eigentlich Saras Aufgabe gewesen. Du hast ihr eingeredet, ich sei ein
schlechter Mensch! Du hast meine Familie zerstört!«
» Lech
Tisdajen !« Perez atmete heftig und ließ ein paar Sekunden verstreichen,
bevor er weiterredete: »Das hast du selbst, Leonhard. Du hast alles verloren.«
»Nein!«
Eichmüller
machte einen Satz auf Perez zu. Bier spritzte aus dem Hahn. Perez duckte sich
seitlich weg und schoss, doch die Kugel verfehlte Eichmüller. Maria machte
einen Schritt rückwärts, um sich in Sicherheit zu bringen. Im selben Moment drehte
Eichmüller sich um sich selbst, um im großen Bogen das Bier zu verteilen. Jens
stand stocksteif, sein Gesicht angstverzerrt. Doch es war nicht Jens, der die
volle Ladung abbekam. Katzengleich war Perez der Bewegung Eichmüllers gefolgt
und stürzte sich auf ihn, um ihm den Hahn zu entwinden. Die Flüssigkeit ergoss
sich über die beiden, während Jens nur wenig abbekam. Eichmüller, dem seine
Verzweiflung anscheinend Kraft verlieh, versetzte Perez zwei harte Schläge in
die Magengrube. Der sackte zusammen. Eichmüller nutzte die Sekunden und
kletterte mitsamt des unförmigen Rucksacks über den Zaun zum Riesenrad.
Ein
Schuss traf Eichmüller in den Arm. Er schrie schmerzerfüllt, blieb jedoch nicht
stehen.
»Nicht
schießen!«, rief Maria.
Jens
setzte einen Fuß auf die unterste Sprosse des Zauns. Mit ein paar
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