Judith
und der Waffen zahlen. Damit hatte sich Raine auf dem Turnier schon ein Vermögen erworben.
Aber manche Männer wurden auch verletzt. Es geschahen sehr oft solche Unfälle. Deshalb sah Judith furchtsam zu, als Gavin seinen Gegner zum zweiten Mal anritt. Aber keiner der beiden Kämpfenden geriet ins Wanken.
Judith hörte eine Frau in ihrer Nähe lachen. Sie schenkte dem keine Beachtung, erst als sie die Worte hörte: »Ihr Gemahl ist der einzige, der kein Band trägt. Dabei hat sie zwei goldene Bänder seinen Brüdern gegeben. Was soll man von so einer Frau halten? «
Das waren böse Worte, und als Judith sich umdrehte, wich man ihren Blicken aus. Sie wandte sich wieder den Kämpfenden zu und betrachtete auch die Ritter, die auf ihren Kampf warteten. Die Frau hatte recht. Alle trugen Bänder, an den Armen oder den Lanzen. Raine und Miles hatte sogar mehrere.
Ehe sie wußte, was sie tat, lief sie auf den Kampfplatz zu. Es wurde ihr nicht bewußt, in welche Gefahr sie sich begab. Sie hatte noch nie ein Turnier gesehen. Sie ahnte nicht, wie schwer die Hufe der Schlachtrösser sie treffen konnten.
Sie hörte auch die Schreie nicht, als ein Reiter nach dem anderen sein Pferd zurückriß. Es war ihr nicht bewußt, daß die Zuschauer aufsprangen und sie mit Blicken verfolgten.
Gavin, dem sein Knappe gerade eine neue Lanze reichte, sah Judith auch. Aber er konnte sie nicht aufhalten, denn ehe er von seinem Pferd herunter war, würde sie ihn schon erreicht haben.
Judith hatte kein goldenes Band mehr, das sie ihm geben konnte. Aber er sollte ein Pfand von ihr haben. Er gehörte ihr. Sie riß sich im Laufen das Netz mit den Perlen vom Haar. Als sie neben Gavins Pferd stand, hielt sie das feine Gespinst hoch.
»Ein Pfand von mir«, flüsterte sie lächelnd.
Reglos saß Gavin auf seinem Pferd. Dann senkte er die Lanze zu ihr hinunter. Hastig knüpfte Judith den Netzschleier daran. Als sie danach wieder zu Gavin aufsah, beugte er sich nieder, hob sie vom Boden hoch und küßte sie.
Sein Kuß war hart, und das Visier der Rüstung drückte sich in ihre Wange. Aber es machte Judith nichts aus. Wie benommen stand sie da, als Gavin sie wieder auf die Füße stellte.
Es war ihr nicht bewußt geworden, daß sich während dieser Szene tiefes Schweigen über die Menge gesenkt hatte. Doch Gavin merkte es. Seine Braut hatte ihr Leben riskiert, um ihm ein Liebespfand zu bringen. Triumphierend hielt er seine Lanze Hoch. Die Zuschauer jubelten auf.
Judiths Wangen glühten, als sie sah, daß alle Blicke auf sie gerichtet waren. Sie preßte die Hände an ihr heißes Gesicht. Miles und Raine kamen heran und gaben ihr schützendes Geleit.
»Wenn du Gavin mit dieser Geste nicht so glücklich gemacht hättest, würde ich dich für diesen Leichtsinn übers Knie legen«, brummte Raine.
Wieder jubelte die Menge. Gavin hatte seinen Gegner vom Pferd gestoßen. Judith war so verlegen, weil sie in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit geraten war, daß sie ihre Röcke raffte und zur Burg zurücklief.
Sie wollte eine Weile in der Stille des Gartens sitzen, bis ihre Wangen wieder die normale Farbe angenommen hatten.
Lilian kam in das Zelt des Earl of Bayham gestürmt, dessen mit Seide verkleidete Wände noch kostbare byzantinische Teppiche schmückten. Alles für den Komfort von Edmund Chatworth.
»Ist was passiert? « fragte eine tiefe Stimme hinter Lilian.
Sie fuhr herum und sah sich Roger, Edmunds jüngerem Bruder, gegenüber. Er saß auf einer niedrigen Bank und bearbeitete sein Schwert mit einem Schleifstein, den er mit seinem Fuß antrieb. Der junge Mann war recht hübsch, mit dem von der Sonne gebleichten Haar und seinem energisch wirkenden Mund. Selbst die Narbe neben seinem linken Auge beeinträchtigte sein gutes Aussehen nicht.
Lilian hatte sich manches Mal gewünscht, daß Roger der Earl war und nicht Edmund. Sie setzte schon zum Sprechen an. Doch sie hielt sofort inne. Sie hatte ihm von dem Aufsehen berichten wollen, das Gavins Frau eben gemacht hatte. Sie hatte Gavin ein Pfand angeboten, aber er hatte es nicht nehmen wollen. Er hatte es ihr damit erklärt, daß er nicht noch mehr Gerede wollte, als es schon gegeben hatte.
»Du spielst mit dem Feuer. Ist dir das klar? « fragte Roger, während er mit dem Daumen die Schneide seines Schwertes prüfte. Als Lilian nichts sagte, fuhr er fort: »Die Montgomerys sehen die Dinge nicht so wie wir. Für sie ist Recht Recht und Unrecht Unrecht. Dazwischen gibt es nichts. «
»Ich weiß
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