JULIA COLLECTION Band 11
interessanten Geschäften.“ Mit einem freundlichen Lächeln auf dem hübschen Gesicht überreichte die junge Frau ihr einen Faltplan. „Wenn Sie weitere Informationen über die Sehenswürdigkeiten der Stadt wünschen, wenden Sie sich bitte an den Reiseleiter dort drüben in der Ecke, bei dem Sie auch eventuelle Buchungen vornehmen können.“
„Vielen Dank.“ Avis begab sich zu dem erwähnten Schalter und ließ sich mehrere Prospekte geben, bevor sie weiter in das Restaurant ging.
In dem kleinen, aber eleganten Speiseraum wurde ihr ein starker, milchiger Tee zusammen mit Gebäck und Obst von einem silbernen Wagen serviert. Während sie an einem Tisch mit blütenweißem Damasttuch und frischen Blumen vor einem fröhlich prasselnden Kaminfeuer saß, wurde sie sich der Realität schließlich richtig bewusst.
Sie war in England! London mit all seinen Sehenswürdigkeiten erwartete sie jenseits dieses warmen, behaglichen Lokals. Und irgendwo in der Nähe hielt sich Lucien Tyrone auf. Sie erschauerte – ob nun vor freudiger Erwartung oder Beunruhigung, das vermochte sie nicht zu sagen.
Lucien beobachtete, wie Avis das Hotel verließ, gut eingepackt gegen den kalten Dauerregen, und um die nächste Straßenecke verschwand. Er hatte nur darauf gewartet, um ungehindert einchecken zu können.
Er hatte das Management zwar telefonisch vorgewarnt, dass er sich bedeckt halten wollte, aber als ein Vorstandsmitglied der Hotelkette hätte er durch sein Erscheinen unweigerlich für Aufregung beim Personal gesorgt, und der Manager selbst hätte seine Unterwürfigkeit vermutlich nicht völlig überspielen können und somit Avis’ Argwohn erweckt.
Natürlich konnte sie nicht erraten, dass er auf einen Aufenthalt in seinem luxuriösen Stadthaus verzichtete, nur um in ihrer Nähe zu sein. Aber vermutlich hätte sie gemerkt, dass er in letzter Minute umdisponiert und die Reservierung erst während der Fahrt vom Flughafen in seiner chauffierten Limousine vorgenommen hatte. Eben aus diesem Grund hatte er Avis in ein Taxi verfrachtet.
Es galt zu verhindern, dass seine Kampagne fehlschlug. Und schließlich hatte er nicht gelogen, zumindest nicht direkt. Er hatte nur nicht die ganze Wahrheit erzählt, und das erschien ihm derzeit weiser.
Andererseits dachte Lucien nie darüber nach, ob ihm die Informationen gebührten, die er verlangte, und ebenso erging es denjenigen, die er um Aufklärung bat. So hatte er ohne Schwierigkeiten erfahren, welches Zimmer Avis bewohnte und welche Pläne sie für das Dinner an diesem Abend getroffen hatte. Auch seine Bitte, ein zweites Gedeck für ihn an ihren Tisch bringen zu lassen, war ihm nicht abgeschlagen worden.
Jedoch bemühte er sich, ihre Begegnung im Speiseraum als zufällig hinzustellen. „Oh, hallo. Darf ich mich zu Ihnen setzen? Oder erwarten Sie jemand anderen?“
Einen Moment lang blickte sie nur stumm zu ihm auf. Ihre Augen wirkten groß und berauschend blau, was zum Teil am Farbton ihres violetten Kleides lag, das langärmelig und raffiniert schlicht geschnitten war. Es bestand aus einem fließenden Stoff, der ihre Rundungen aufreizend umschmiegte, und wies einen tiefen Ausschnitt auf, wirkte aber trotzdem überraschend sittsam. Lucien verbeugte sich ein wenig vor ihr, sodass Jackett und Krawatte eine gewisse verräterische Entwicklung unterhalb seiner Gürtellinie verbargen.
Mit einer graziösen Handbewegung deutete sie zu dem Stuhl zu ihrer Linken. „Bitte sehr.“
Zufrieden setzte er sich und nahm geistesabwesend die Speisekarte, die der Kellner ihm reichte. „Haben Sie schon gewählt?“, erkundigte er sich bei Avis.
„Normalerweise nehme ich einfach die Spezialität des Hauses“, gestand sie. „Der Kellner hat gesagt, es heißt Jenny im Schnee oder so ähnlich.“
Lucien schloss die Speiskarte und nickte dem Kellner zu. „Oh ja. Ein schönes Stück Rindfleisch in einer Kruste aus Kartoffel und Salz. Es ist bestimmt nicht gut für den Blutdruck, aber ein Gaumenschmaus. Wir sollten einen guten Rotwein dazu nehmen, um die Verdauung anzuregen.“
Lächelnd verdrehte sie die Augen.
„Sie mögen darüber spotten, aber die Europäer schwören darauf.“
„Die scheinen weniger Probleme mit Cholesterinspiegel und Herzerkrankungen als wir Amerikaner zu haben.“
„Das mag auf Sie zutreffen“, witzelte er, „aber ich habe genug gesundes mediterranes Blut in den Adern, um essen zu können, was mir beliebt.“ Er musterte ihre Gestalt und fügte sanft hinzu:
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