Julia Collection Band 62
du dich jetzt umziehen?“, korrigierte er sich selbst höflich, wodurch sie ihre Überreaktion auf seine harmlose Frage bereute. Die ganze Situation war sicherlich auch für ihn nicht einfach. Sie beide taten dies für Alice.
„Ich wusste nicht, ob …“, begann sie zu erklären, änderte dann jedoch ihren Ansatz. „Ich dachte, du möchtest vielleicht etwas Bestimmtes besprechen. Das hast du jedenfalls angedeutet, und ich fühle mich dabei in Jeans wohler.“
„Zieh dein Kleid an“, bat er sie sanft. „Für das Gespräch haben wir nachher noch Zeit. Wenn du angezogen bist, möchte ich dir geben, was ich mitgebracht habe.“
Suzanne nickte. Warum war sie nur so atemlos? Sie hatte sich keinen Schritt bewegt. Es musste an ihren Nerven liegen.
„Da ist ein kleiner Nebenraum im hinteren Teil der Kirche, den mir Pater Davenport gezeigt hat und in dem ein Spiegel hängt“, teilte sie ihm mit.
„Ich warte hier solange.“
„Ich versuche, mich zu beeilen.“
Aber dennoch brauchte sie eine ganze Weile. Welche Frau tat das auch nicht an ihrem Hochzeitstag?
Sie hatte das Kleid gestern gekauft, nach ihrer Arbeit in der Bibliothek. Sie hatte lediglich drei Kleider anprobiert und sich dann für dieses hier sowohl auf Grund des Preises als auch des Schnitts und Stils entschieden.
Jetzt, als sie vor einem fleckigen Spiegel in dem kleinen Raum der Kirche stand, schmiegte sich der schwere cremefarbene Satin eng um ihren Oberkörper und umspielte ihre Knöchel. Sie fing an, das Kleid zu mögen, und zwar nicht nur wegen des Preises. Es saß perfekt, stand ihr sehr gut und ließ oberhalb des eleganten Ausschnitts genug Platz für etwas Schmuck.
Sie hatte eine Kette. Ihr Stiefvater hatte sie Rose geschenkt, und Rose hatte sie nach David Browns Tod Suzanne gegeben, wobei sie bemerkte: „Sie ist alt. Und sie war billig. Sie hat mir nie gefallen.“
Suzanne dagegen hatte die Kette immer hübsch gefunden, ein zartes Gebilde aus Granaten und Silber. Als Kind hatte sie oft darum gebettelt, sie tragen zu dürfen, doch das hatte Rose nie erlaubt.
Als sie die Kette jetzt anlegte, musste sie feststellen, dass sie nicht zum Kleid passte. Das Silber sah dunkel und angelaufen gegen den schimmernden Satin aus, und auch die Steine hatten nicht die richtige Farbe.
Traurig legte sie den Schmuck zurück in die Samtschachtel, und ihre Augen füllten sich mit Tränen. Oh, wie sie ihren Stiefvater vermisste. Suzanne glaubte fast, seine Stimme zu hören oder den Pfeifentabak zu riechen, den er immer geraucht hatte.
„Ich hätte Cat und Pixie einladen sollen“, flüsterte sie zu sich selbst. „Und ich hätte auch versuchen sollen, Jill und den kleinen Sam in Montana zu erreichen.“ Doch sie hatte Angst gehabt, dass ihre Schwestern ihr Vorhaltungen machen würden, weil sie sich auf eine Zweckehe eingelassen hatte.
Jetzt fühlte sie sich allein, und sie bereute, ihre Familie ausgeschlossen zu haben.
Ohne jeglichen Enthusiasmus kämmte sie ihr Haar und legte Make-up auf. Danach ging sie zurück zu Stephen in die Sakristei. Er trug immer noch Jeans.
„Ziehst du dich nicht um?“
„Tut mir leid“, antwortete er. „Ich brauche nicht lange. Ich wollte dir zuerst die Dinge geben, die ich aus der Bank mitgebracht habe. Vielleicht möchtest du sie nicht. Du wirst dich entscheiden müssen. Es kann sein, dass du darüber nachdenken willst.“
„Ich … ja, natürlich“, stimmte sie gehorsam zu, obwohl sie keine Ahnung hatte, wovon er sprach.
Er hob eine der Tüten hoch und entnahm ihr zwei hölzerne Kästchen, eines länglich und eines quadratisch. Auf dem Tisch der Sakristei schimmerten die Schachteln wie Satin. Die Deckel waren mit kunstvollen Einlegearbeiten verziert.
„Beide Stücke sind alt, nicht mehr modisch“, erklärte er.
„Es ist also Schmuck?“, stammelte sie schockiert.
„Ja, er gehört meiner Familie. Ich habe ihn heute aus meinem Bankschließfach geholt, und ich werde ihn nach der Trauung zurückbringen.“
„Er muss …“
„Wertvoll sein, ja. Er wird bald verkauft werden, um ein modernes Krankenhaus in Aragovia zu finanzieren. Aber es wäre richtig, dass du ihn trägst, wenn du willst. Die zweite und letzte Serkin-Rimsky-Braut, die das tut.“
Seine Stimme klang ruhig und ernst, und mit großer Entschlossenheit öffnete er die kleinen Metallschlösser an jeder Box.
Suzannes Herz hämmerte vor Erwartung. Die Septembersonne kam hinter einer Wolke hervor und strahlte durch die bunten Glasfenster der
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