JULIA EXTRA BAND 0263
aussehen.“
„Gute Arbeit, Pia“, sagte Gino, und erst in diesem Moment wurde Rox klar, dass er auch zugeguckt hatte. Allerdings schaute er nicht Pia an, während er dies sagte, sondern Rox.
Maria räumte den Großteil des Tisches ab, dann nahm sie Pias Knoblauchzopf, beendete ihn mit einem bestimmten Knoten und hing ihn an einen Haken neben die anderen. „Siehst du?“
Pia klatschte in die Hände. „Siehst du, was ich gemacht habe, Daddy?“
„Er ist perfekt, Pia. Gut gemacht, Sweetheart.“
„Pia, lass uns jetzt nach oben gehen und dich baden“, sagte Maria, woraufhin das kleine Mädchen die Hand der Haushälterin ergriff und ohne jeglichen Protest mitging. Sie strahlte immer noch, voller Stolz über ihre Leistung.
Mit geröteten Wangen und eingeschlafenen Beinen vom Knien auf dem Boden schob Rox sich wieder auf ihren Stuhl, trank noch einen Schluck Kaffee und aß ein halbes Schokoladenkonfekt. Sie versuchte, nicht zu Gino zu schauen, aber … beobachtete er sie noch immer?
„Sie wären eine sehr gute Lehrerin“, bemerkte er, während er sich Kaffee nachschenkte und noch ein Stückchen Käse abschnitt.
„Ich?“ Rox war überrascht. „Oh, mir fehlt die Geduld. Wirklich. Das könnte ich nicht.“
Er trank einen Schluck Kaffee. „Sie haben noch nicht darüber nachgedacht.“
„Oh doch, das habe ich. Glauben Sie mir! Ich habe einen Lehrabschluss. Es sollte meine Sicherheit sein, wenn es mit der Gesangskarriere nicht klappt, aber …“
„Das ist es also, was Sie in Wirklichkeit tun?“ Er hätte beinahe gelächelt, doch nur beinahe. Rox fühlte sich arg in Versuchung geführt, sich über den Tisch zu beugen und seine Mundwinkel wieder nach oben zu schieben. Bitte lächle für mich, Gino. „Sie sind Sängerin.“
„Ich bin Kellnerin, die Sängerin sein möchte, aber es vermutlich nie werden wird“, korrigierte ihn Rox.
Sie hob ihr Kinn und spürte, wie sie heiße Wangen bekam. Nachdem sie Gino in den vergangenen anderthalb Tagen so häufig angelogen hatte, wurde sie nun von schonungsloser Ehrlichkeit erfasst, und sie wollte sich selbst nicht belügen.
Sie hatte eine schöne Gesangsstimme und auch eine gute Bühnenpräsenz, aber ihr fehlte diese absolute Starqualität, diese magische Aura, die das gewisse Etwas ausmachte. Dutzende erfolgloser Castings hatten ihr das endlich bewiesen.
„Mit einem Abschluss als Musiklehrerin“, wiederholte Gino, so als wäre das viel wichtiger als ihr Gesang. Er hatte wie Pia diese Zielstrebigkeit im Blick und den Trotz. Aus irgendeinem Grund wollte er unbedingt über dieses Thema sprechen.
„Sie hätten mich in meinem lehrpraktischen Block sehen sollen“, entgegnete Roxanna. „Fünfundzwanzig Kinder, die lustlos auf Xylofon oder Trommel herumhämmerten. Es hat mir regelrecht in den Ohren wehgetan. Wenn sie nicht stocktaub waren, dann wahrscheinlich einfach nur desinteressiert. Die meiste Zeit haben sie in ihren Bänken randaliert.“
„Es gibt andere Wege zu unterrichten“, erklärte Gino. „Andere Kinder. Talentierte Kinder.“
„Pia ist meiner Ansicht nach sehr talentiert.“
Sie hatte bereits gestern versucht, ihm das zu sagen, und er war nicht überzeugt gewesen, doch jetzt war die Atmosphäre zwischen ihnen irgendwie entspannter. Um Pias willen war sie bereit, das Thema noch einmal anzuschneiden. Sie setzte sich ein wenig aufrechter hin, dann beugte sie sich nach vorne, so wie Gino es auch bereits tat. Auf diese Weise verliehen Leute ihren Argumenten mehr Nachdruck. In dieser Haltung hätten sie sich berühren können, aber sie taten es nicht.
„Musikalisch talentiert?“ Er wirkte immer noch skeptisch. „Es ist doch sicher zu früh, das zu beurteilen.“
„Talentiert in vielerlei Hinsicht, aber ja, ich glaube, dass sie ein tolles Gespür für Musik hat, und ich finde es überhaupt nicht zu früh, das zu beurteilen. Falls Sie es bemerkt haben – ich habe eben Musik benutzt, als sie Probleme beim Flechten hatte. Sie musste das Muster verstehen, und das gelang ihr durch Rhythmus. Ich meine, Rhythmus ist einfach nur ein Musterfürs Ohr, und wenn ein Kind dadurch schneller und einfacher lernt, dann …“
„Sehen Sie? Sie sollten talentierte Kinder in Musik unterrichten“, wiederholte er. „Vielleicht in Einzelunterricht oder ganz kleinen Gruppen. Sie wären sehr gut darin. Ich, meinerseits, würde Pia zu Ihnen schicken.“
„Das würden Sie tatsächlich?“
„Ja, warum nicht? Ich bin vielleicht nicht bereit, Sie als
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