JULIA EXTRA BAND 0263
Weiß Gino, dass wir nach ihr suchen? Er wird sich schreckliche Sorgen machen, wenn wir sie nicht finden.“
„Ich werde es ihm sagen. Es sieht ihr nicht ähnlich, bis zur Hauptstraße zu laufen, aber … Er würde uns nie verzeihen.“ Maria schüttelte den Kopf. „Er würde sich selbst nicht verzeihen.“
Sie ging wieder nach draußen, und Rox stieg die Treppe erneut hinauf, um noch mal genauer zu suchen.
Von unten hörte sie Stimmen und Schritte. Lisette, Nicoletta und Maria waren ins Haus gekommen, während Gino im Garten suchte. Sie hörte ihn rufen. „Pia? Pia? Schätzchen, du musst uns antworten!“
Und dann vernahm sie einen wütenden Schrei von unten und eine ganze Schimpftirade von Lisette. Als Rox in Ginos Büro stürmte, hörte sie noch die Worte: „Du zerstörerisches, böses, psychopathisches Kind! Gib mir das sofort! Du bist ein schlimmes kleines Mädchen!“
Rox erstarrte vor lauter Schreck mitten im Türrahmen. Lisette zog an einem Ende von Pias Narzissenkleid, während die Kleine am anderen Ende riss. Da Lisette natürlich stärker war, zerrte sie Pia langsam unter Ginos Schreibtisch hervor.
Pia hielt immer noch eine Schere in der Hand, mit der sieoffensichtlich Fransen in den Saum des Kleids geschnitten hatte. Für eine Papierschere war sie erstaunlich weit damit gekommen. Ihr Gesicht war ganz rot, und sie schrie so laut, dass es Rox in den Ohren wehtat, aber es war die unkontrollierte Wut der Erwachsenen, die viel beängstigender war als die des Kindes.
Lisette konnte sich nach wie vor nicht beruhigen. „Was machst du da, du schreckliches Mädchen? Du hast das Kleid ruiniert.“ Sie wandte sich an Roxanna und schrie immer noch. „Sehen Sie doch nur: Sie ist gestört. Ernsthaft gestört. Wenn sie auf diese Weise versucht, den armen Gino zu bestrafen. Sie ist ein Monster!“
Ob Pia das alles mitbekommt? Das war Roxannas erster Gedanke.
Nein, Gott sei Dank weinte sie viel zu laut, als dass sie irgendetwas davon hätte hören können.
„Ich bin mir nicht sicher, ob es eine Bestrafung ist, Lisette“, entgegnete Rox. „Pia, Sweetheart …“, begann sie, doch dann unterbrach sie sich, weil sie wusste, dass das Kind sie gar nicht wahrnahm. Sie musste langsamer und behutsamer vorgehen.
Das Weinen hielt an, und Rox setzte sich zu Pia auf den Boden und streichelte langsam ihre Hand. Da ihre Aufmerksamkeit ganz auf die Kleine gerichtet war, merkte sie gar nicht, dass Gino hereingekommen war.
„Was in aller Welt ist hier los?“, fragte er. Er schob Lisette beiseite und trat näher heran.
„Oh Gino!“, stöhnte Lisette. Sie presste ihre Hände aufs Gesicht, und ihre Stimme senkte sich zu einem verzweifelten Flüstern. „Schau dir an, wie sie ihr Kleid ruiniert hat, der arme Liebling.“ Sie hob das Kleid auf, schüttelte es und ließ es wieder auf den Boden fallen, dann streichelte sie Pias Haar mit einer Sanftheit, von der sie noch vor wenigen Minuten weit entfernt war. „Du musst einsehen, dass Miss Cassidy recht hat, was die Wutanfälle angeht, Gino. Pia braucht eine strenge Hand, und wir müssen standhaft sein. Nicoletta war nie so. Schau dir nur das Kleid an. Wir müssen das ganz strikt durchziehen, bis …“
„Nein“, unterbrach Gino sie mit einem Seufzen. „Nein, Lisette, so werde ich es nicht mehr machen.“
„Aber du kannst dieses Verhalten doch nicht auch noch be lohnen! Wir dürfen nicht zulassen, dass unser kleiner Liebling Pia …“
Er stöhnte zwischen zusammengebissenen Zähnen. „Nein, aber ich muss zumindest versuchen, sie zu verstehen, und wie soll das gehen, wenn ich einfach …“
„Du gibst ihr nach! Oh, nein, Gino, Liebling, ich glaube es einfach nicht, nach all der Mühe, die Miss Cassidy sich gegeben hat. Ist das Pia gegenüber fair?“
Gino legte zerstreut seinen Arm um Lisettes Schulter und sah Roxanna flehentlich an.
Sie fühlte sich genauso hilflos wie er. Pia weinte und brüllte immer noch. Lisettes ängstlichem Blick und den beruhigenden Geräuschen nach zu urteilen, die sie von sich gab, hätte man nie glauben können, wie sie noch vor ein paar Minuten geschrien hatte. Gino wusste es definitiv nicht. Hatte er diesen Zug an Pias Tante jemals miterlebt?
Rox wollte ihm zu gerne erzählen, was Lisette über seine Tochter gesagt hatte, aber das konnte sie kaum tun. Er hätte es selbst hören müssen …
„Vielleicht sollten wir sie erst mal beruhigen?“, schlug Rox vor, während sie zu ihm hochblickte. „Wir müssen herausfinden, warum
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