Julia Extra Band 0294
Fingerspitze auf der unerwartet scharfen Kante der Einladung inne und kniff die Augen zusammen. „Bist du allein?“
„Wie bitte?“
„Oder hast du einen Mann bei dir?“
Unwillkürlich packte Rebecca den Hörer fester. Fast hätte sie laut gelacht. „Ich weiß nicht, ob du schon mal eine Hochschwangere gesehen hast, die Zwillinge erwartet!“, erwiderte sie ironisch. „Vielleicht sollte ich mich geschmeichelt fühlen, dass du mir selbst in diesem Zustand zutraust, für einen Mann attraktiv zu sein … wenn es dich etwas anginge. Aber das tut es nicht. Ich bin frei und ledig, Xandros. Du kannst mir nicht vorschreiben, was ich tun oder lassen soll. So, das wäre alles. Ich lege jetzt auf.“ Sie atmete tief durch. „Ach, und keine Sorge. Nach der Niederkunft schicke ich dir eine SMS. Mach’s gut.“
Erst nach einem Augenblick begriff Xandros, dass Rebecca tatsächlich aufgelegt hatte. Und dann dauerte es eine Weile, bis ihm aufging, was sie gesagt hatte: Er hätte keinerlei Recht auf sie. Sie schien es sogar eilig gehabt zu haben, das Gespräch zu beenden.
So hatte sie noch nie mit ihm gesprochen, und er war nicht sicher, ob ihm die neue, kämpferische Rebecca gefiel.
Nach der Geburt wollte sie ihm eine „SMS schicken“. Eine SMS! Finster blickte er auf die Einladungskarte.
Erst spät verließ Xandros das Büro und ging zu einer Party, eigentlich nur, weil sie gleich um die Ecke an der Lexington Avenue stattfand. Es war ein elegantes Apartment und eine noch elegantere Party. Der weitläufige Penthausraum war von hohen Kerzen erhellt und mit duftenden weißen Blumen geschmückt, einen mächtigen Weihnachtsbaum zierten ausschließlich weiße Glitzerkugeln.
Alles war genau aufeinander abgestimmt. Nichts fiel aus dem Rahmen. Das Ganze wirkte wie eine Filmkulisse oder eine Werbung für den Lebensstil der Reichen. Und so leben sie ja tatsächlich, dachte Xandros.
Auf einem weißen Flügel spielte ein Pianist klassische Musik, und die frisch geschiedene junge Gastgeberin, die sich unübersehbar für Xandros interessierte, trug ein schimmerndes weißes Abendkleid, das ihre aufregende Figur wie eine zweite Haut umschloss.
„Hallo, Alexandros“, begrüßte sie ihn sinnlich. „Du siehst abgekämpft aus. Am besten, ich bringe dich gleich ins Bett.“ Sie senkte die Stimme. „Und wenn du Glück hast … leiste ich dir Gesellschaft.“
„Höchste Zeit, dass ich gehe“, erwiderte er brutal.
„So?“ Aufreizend legte sie ihm die Hand mit den lackierten Nägeln auf den Jackettaufschlag, als er ein Glas Champagner mit einer Handbewegung ablehnte. Bei der Vorstellung, ihre tiefroten Krallen auf seiner nackten Haut zu spüren, schauderte er. Er fragte sich, warum er überhaupt hergekommen war.
Weil er vergessen wollte.
Was vergessen? Dass er bald Vater wurde und niemand davon wusste. Die Situation war so verrückt, dass er es selbst kaum glauben konnte.
Die SMS kam am Abend nach Weihnachten und bestand nur aus wenigen Worten. „Die Wehen haben eingesetzt. Alles Weitere später.“
Danach fand Xandros keinen Schlaf, ging in seinem Apartment ruhelos auf und ab, versuchte, sich durch Lesen, einen Film und schließlich Musik abzulenken, doch nichts half. Er hatte keine Ahnung, was bei einer Geburt vor sich ging, wusste nur, was er in Filmen gesehen hatte, wo die Frauen vor Schmerzen fürchterlich schrien und um sich schlugen. War das immer so? Schrie Rebecca in diesem Moment?
Xandros presste die Lippen zusammen. Irgendwie ging die Vorstellung ihm ans Herz. Die Ungewissheit war das Schlimmste. Doch er war ein Mann der Tat. Sollte er wartend herumsitzen und grübeln, was auf der anderen Seite des Atlantiks geschehen mochte?
Er würde auf der Stelle zu Rebecca fliegen!
Im Nu hatte er einen Koffer gepackt und einen Platz in der ersten Maschine nach London gebucht. In solchen Momenten war er froh, reich zu sein und sich alles leisten zu können.
Der Himmel war wolkenverhangen, die Luft feuchtkalt, als seine Maschine in Heathrow landete. Xandros hatte prompt eine SMS zurückgeschickt, sich nach der Adresse von Rebeccas Krankenhaus erkundigt, und sie hatte sie ihm wiederum per SMS mitgeteilt. Vielleicht glaubte sie, er wollte ihr Blumen schicken. Dass er zu ihr kommen würde, hatte er vorsichtshalber nicht erwähnt.
Warum nicht?
Weil er nicht riskieren wollte, dass sie es ihm verbot. Nicht einmal ein Macho wie er hätte es gewagt, sich den Wünschen einer Gebärenden zu widersetzen.
Oder weil er sich
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