Julia Extra Band 0294
Tücher und andere Kleinigkeiten zu erstehen gab Audrey ihr inneres Gleichgewicht zurück, und als sie das Hotelfoyer betrat, war sie froh, nirgendwo ein bekanntes Gesicht zu sehen und sich in ihr Zimmer zurückziehen zu können.
Doch kurz davor wurde sie von einer unterdrückten Stimme angerufen. „Audrey!“
Es war Lucy, die im Raum nebenan wohnte.
„Ja, alles in Ordnung mit dir?“, fragte Audrey alarmiert, da ihr die junge Maskenbildnerin ziemlich bleich und erregt erschien.
Lucy schaute hastig den Flur auf und ab, winkte Audrey herein und schloss die Tür hinter ihr ab.
„Lucy, ich bin wirklich müde …“
„Ich habe etwas, das dich vielleicht interessiert.“ Als sie ihr ein Stück gefaltetes Papier mit einem weißen Pulver entgegenhielt, sträubten sich Audreys Nackenhaare. Es passierte ihr nicht das erste Mal, dass Menschen völlig falsche Schlüsse aus dem zogen, was sie über sie gehört haben mochten.
„Kein Interesse“, sagte sie kalt und umfasste Lucys Handgelenk mit hartem Griff. „Und du solltest auch lieber die Finger von dem Teufelszeug lassen!“
„Nun sei doch keine Spielverderberin, Audrey … das ist doch völlig harmlos. Hey, was soll das?“, protestierte das Mädchen, als Audrey ihr das Papier abnahm, sorgfältig zusammenfaltete und die Faust darum schloss.
„Wie alt bist du eigentlich, Lucy?“, fragte Audrey ruhig.
„Einundzwanzig!“, kam es trotzig zurück.
„Hör zu, du dummes Ding, wenn jemand anderer als ich dich mit dem Zeug erwischt – wie zum Beispiel Romain –, wirst du mit dem nächsten Flieger nach Hause geschickt! Wir sind hier in Indien! Hast du überhaupt eine Vorstellung davon, was passiert, wenn die örtliche Polizei das hier bei dir findet?“
Sie sah, wie Lucy immer blasser wurde. Unter Garantie hatte Dominic das arme Geschöpf mit irgendetwas unter Druck gesetzt.
„Du brauchst mir nicht zu sagen, von wem du es hast. Ich kenne Dominic seit Jahren, also fühle dich nicht bemüßigt, ihn vor mir zu verteidigen. Egal, was er dir erzählt, er ist und bleibt ein Schuft, dem nur etwas an sich selbst liegt. Und dem Nächsten, dem du diesen Stoff anbietest, liegt vielleicht nicht so viel an dir, dass er bereit ist, ihn für dich verschwinden zu lassen …“
Damit schloss sie die Tür auf, ging hinüber in ihr eigenes Zimmer und gleich weiter ins Bad, wo sie das weiße Pulver in der Toilette hinunterspülen wollte. Doch ehe sie dazu kam, klopfte jemand an ihre Tür.
„Ich komme!“, rief Audrey nervös und schloss die Finger noch fester um das Päckchen, das wie Feuer in ihrer Hand brannte. Als sie öffnete, lehnte Romain im Türrahmen.
„Kann … kann ich dir helfen?“, fragte sie völlig perplex.
„Ich denke schon …“, murmelte er mit rauer Stimme, umfasste ihre Oberarme und schob sie sanft in den Raum hinein. Mit einem verführerischen Lächeln verriegelte er die Tür.
„Aber …“, protestierte Audrey, doch weiter kam sie nicht, da Romain ihr den Mund mit einem so hungrigen, leidenschaftlichen Kuss verschloss, dass sie Mühe hatte, das Gleichgewicht zu halten.
„Hallo …! Bin ich dir etwa zu stürmisch?“, fragte er lachend und zog sie in seine Arme. „Ich habe dir doch versprochen, dass uns beim nächsten Mal niemand stören wird.“ Da Audrey immer noch keine Reaktion zeigte, hielt er sie ein Stückchen von sich ab. „Schau mich doch nicht so ängstlich an. Ich verspreche dir, es wird ganz wundervoll …“
Er wollte ihre Hände beruhigend in seine nehmen und merkte erst jetzt, dass sie eine Hand zur Faust geballt hielt. „Versteckst du etwa etwas vor mir?“, fragte er heiter, doch angesichts der unübersehbaren Panik in ihren schönen Augen wurde er schlagartig ernst. „Was verbirgst du da in deiner Hand?“ Seine Stimme war jetzt rasiermesserscharf und kompromisslos. Das kalte Misstrauen in seinem Blick trieb Audrey Angstschweiß auf die Stirn. Verzweifelt kniff sie die Lider zusammen.
Romain wartete noch ein paar Sekunden, dann bog er unbarmherzig Audreys verkrampfte Finger auseinander und starrte auf das zerknitterte flache Päckchen in ihrer feuchten Handfläche.
„Öffne die Augen!“
Sie gehorchte. „Ich …“
„Schweig! Es gibt nichts, aber auch rein gar nichts, was du jetzt sagen könntest!“
Audrey presste die Lippen zusammen und senkte den Blick. Der Gedanke, dass Romain sich jetzt in seinem Urteil über sie bestätigt fühlte und selbstverständlich für schuldig hielt, brachte sie fast um. Doch eines
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