Julia Extra Band 0294
sich auf die Lippen. Nicht, wenn sie es verhindern konnte! Sie verdankte ihrer Großtante alles. Denn sie hatte Lily nach dem Tod ihrer Mutter aufgenommen. Ihr Vater hatte behauptet, er käme mit dem widerspenstigen achtzehn Monate alten Mädchen nicht zurecht. Also hatte er sie bei der einzigen noch lebenden Verwandten seiner Frau abgeliefert und sich anschließend aus dem Staub gemacht. Die alte Dame hatte Lily adoptiert, ihr Liebe und eine glückliche, sichere, wenn auch etwas altmodische Kindheit geschenkt.
Falls es in Felton Hall einige brauchbare Objekte gab, würde der Basar am Samstag ein Erfolg werden. Lilys angeborener Optimismus gewann wieder die Oberhand.
Sie drückte das Gaspedal durch, musste aber gleich darauf heftig abbremsen, um einen Zusammenstoß mit einem glänzenden neuen Ford zu vermeiden, der mitten in der Kurve stand und die schmale Fahrbahn blockierte.
Das Lenkrad fest umklammernd, sah Lily zu, wie sich die Fahrertür des anderen Wagens öffnete. Eine elegant gekleidete Frau Mitte dreißig stieg aus und eilte auf den Mini zu. Auf ihrem hübschen Gesicht zeichnete sich eine Mischung aus Hoffnung und Furcht ab.
Die Furcht siegte, als Lily das Fenster herunterkurbelte. „Oh … Ich hatte gehofft … Ich stehe hier schon seit Ewigkeiten. Mein Boss wartet auf mich, und er wartet nicht gerne! Da war eine Baustelle auf der Autobahn. Ich bin der Umleitung gefolgt, aber irgendwo muss ich falsch abgebogen sein. Und jetzt habe ich auch noch diese Reifenpanne! Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, habe ich in der Hektik beim Losfahren mein Handy vergessen. Deshalb kann ich meinen Chef nicht anrufen. Er wird mich umbringen!“
Die arme Frau schien kurz vor einem hysterischen Anfall zu stehen. Und was diesen Chef anging, der schien ein echtes Ekel zu sein! Bemüht, ihr Grinsen zu verbergen, stieg nun auch Lily aus. Die Frau hatte offensichtlich auf einen starken Mann gehofft … und jetzt sah sie sich ausgerechnet der zierlichen schlanken Lily gegenüber.
„Kein Problem“, meinte Lily, nun doch grinsend. „Das haben wir gleich.“
„Oh … Sind Sie sicher?“, fragte sie skeptisch.
„Öffnen Sie den Kofferraum“, sagte Lily mit fester Stimme. Um Life Begins teure Rechnungen zu ersparen, übernahm sie die meisten Reparaturen an den Fahrzeugen selbst. Sogar Kurse hatte sie besucht, um vor eventuellen Autopannen gewappnet zu sein.
Zehn Minuten später war das Reserverad montiert, die Vorderseite ihres Regenmantels dafür mit Erde bedeckt, ebenso ihre Hände und Schuhe.
Das heftige Schauerwetter des Morgens hatte sich in einen leichten Nieselregen verwandelt, weshalb sie zumindest nicht bis auf die Haut durchnässt war. Ihre Haare jedoch hingen in feuchten Strähnen um ihren Kopf. Sie musste aussehen wie eine Schlamm-Catcherin!
Wettgemacht wurde all dies allerdings durch die überwältigende Dankbarkeit der anderen Frau. „Ich kann Ihnen gar nicht genug danken! Sie haben mir das Leben gerettet! Ich hoffe, jemand eilt auch zu Ihrer Rettung, wenn Sie einmal in Not sind.“
Lächelnd sah Lily ihr nach, während die Fremde davonfuhr. Dann marschierte sie zu ihrem Mini zurück und säuberte, so gut es ging, Hände und Schuhe. An dem traurigen Zustand ihres Regenmantels ließ sich allerdings nichts ändern.
Hoffentlich schlug der neue Besitzer von Felton Hall ihr bei diesem desolaten Erscheinungsbild nicht wirklich die Tür vor der Nase zu. Aber im Großen und Ganzen reagierten die Menschen positiv auf ihre Bitten um Spenden für wohltätige Zwecke. Mit neu erwachter Zuversicht machte sie sich endlich auf den Weg.
Ihre Laune besserte sich, als sie den Ford der jungen Frau von vorhin neben einem Oberklasse-Lexus auf dem Parkplatz vor dem großen Landhaus stehen sah. Allerdings wurde ihr Lächeln merklich schmaler, als ihr einfiel, dass die Frau ihren Chef als Monster beschrieben hatte.
Aber sie würde jetzt nicht umkehren. Beherzt griff Lily nach der Klingelschnur und zog daran.
Nachdem er Penny Flemings Entschuldigungen mit einer unwirschen Handbewegung abgetan hatte, reichte Paolo ihr die Unterlagen des Architekten sowie die anderen Papiere, die sie für das Meeting morgen brauchte. Das knappe Briefing war fast beendet, als die antike Türklingel einen schrillen Laut von sich gab. „Sehen Sie nach, wer das ist, und werden Sie ihn schleunigst los!“
Unruhig ging Paolo in dem mit hohen Bücherregalen möblierten Arbeitszimmer auf und ab. Der Privatjet der Bank stand bereit. In einer Stunde
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