Julia Extra Band 0295
erforderten.
„Ein Kind ist ertrunken.“ Die Sprechstundenhilfe wirkte betrübt. „Morgen wird es in den Lokalzeitungen stehen. Maggie bleibt noch ein paar Stunden bei den Eltern.“
Wieder holte Jennifer tief Luft, ihre Augen füllten sich mit Tränen. Sie schlug die zitternde Hand vor den Mund.
„Tut mir leid, Mrs. March. Das hätte ich nicht sagen dürfen, nachdem Ihr Sohn gestorben ist.“
Mit einem Schlag wich alle Farbe aus Jennifers Gesicht.
„Oh, Mrs. March“, die Sprechstundenhilfe verzog bedauernd das Gesicht. „Wie konnte ich nur so indiskret sein!“
„Machen Sie sich keine Vorwürfe. Es ist ja kein Staatsgeheimnis“, sagte Jennifer steif.
„Maggie hat versucht, Sie und Mr. Brannigan anzurufen, konnte aber niemanden erreichen. Sie hat herausgefunden, dass Sie Nachbarn sind, und schlägt Ihnen deshalb vor, sich gemeinsam die Zeit zu vertreiben. Gleich die Straße hinunter befindet sich ein hübsches Café.“
„Danke“, sagte Noah ernst. „Jennifer?“
Nach langem Zögern nickte sie, ohne ihn anzusehen.
In seinem Kopf rotierten die Gedanken. Er hatte nicht mehr versucht, in sie zu dringen. Aber nun wusste er, worunter sie litt. Sie trauerte über den Verlust ihres Sohnes.
Sie traten in das goldene Herbstlicht. Der Tag war schön und warm, doch Jennifer fehlte dafür der Sinn. „Die armen, armen Eltern“, murmelte sie. „Armes Kind, so ein kurzes Leben …“
Tröstend legte er den Arm um ihre Schultern. „Wie dankbar ich für meine Kinder sein kann.“
Sie ging einfach mit starrem Blick weiter. „Deshalb sind Sie gekommen, nicht wahr? Damit Sie lernen, Tim und Cilla zu helfen.“ Sie versuchte, sich so normal wie möglich zu benehmen, indem sie das tat, was sie immer tat: ihn fragen, um selbst nichts preisgeben zu müssen.
„Wie alt war ihr Sohn?“, fragte er und führte sie in einen Hof mit Tischen und Sonnenschirmen.
Herausfordernd, fast wütend sah sie ihn an. „Drei Jahre.“
Er schloss die Augen. Nun verstand er einiges. Er dachte an ihren Gesichtsausdruck, als sie Rowdy zum ersten Mal gesehen hatte. „Wie hieß er?“
Ihr Blick erlosch. „Cody James McBride.“
„Cody. Das ist ein schöner Name.“ Herrje, bist du lahm, Brannigan!
Der Anflug eines Lächelns huschte über ihre Lippen. „Mark hat ihn vorgeschlagen, aber ich mochte ihn auch.“
Und dann, nach langem Zögern, gab sie freiwillig preis, wonach er sich nicht traute zu fragen. „Er hatte Mukoviszidose und ist erstickt. Wie beim Ertrinken.“
Sie sprach, als hätte sie die Worte auswendig gelernt. Joe hatte recht. Jennifer wollte nicht, dass man ihre Wunden berührte.
Er nahm ihre Hand. „Wie lange gehen Sie schon zur Trauerbegleitung?“
„Ich habe damit im Krankenhaus in Newcastle begonnen, nachdem ich erfahren hatte, woran Cody litt.“
Ich , nicht wir . Das sagte ihm mehr über Mark McBride, als er hatte wissen wollen. Der Mann hatte Jennifer mit ihrer Trauer und ihren Schuldgefühlen alleingelassen.
„Und nach Ihrem Umzug haben Sie sich hier in der Gegend Unterstützung gesucht?“ Seine Stimme klang merkwürdig belegt.
Sie zuckte die Schultern. „Ich nehme sie nur noch hin und wieder in Anspruch. Wenn ich sie brauche. In der Gruppe habe ich Veronica und Jessie kennengelernt. Wir treffen uns jeden zweiten Samstag zum Mittagessen. Die beiden nähen auch gerne, und deshalb haben wir einen Nähzirkel gegründet.“ Sie lächelte, aber es kam nicht von Herzen. „Die beiden haben wieder Kinder bekommen.“
Die Kellnerin kam, um die Bestellung aufzunehmen. Sobald sie gegangen war, ergriff er Jennifers Hand. „Jennifer, Sie haben für meine Kinder und mich Ihr eigenes Leben zurückgestellt.“
Plötzlich blickten ihre Augen nicht mehr ins Leere, sondern schauten ihn sanft und schüchtern an. „Entschuldigen Sie sich nicht wieder, Noah. Ich habe es genossen, Teil einer Familie zu sein.“ Sie betrachtete die ineinander verschlungenen Finger, biss sich auf die Lippen und entzog sich ihm. „Eine Zeit lang jedenfalls.“
„Warum heiraten Sie nicht wieder?“ Für diese Frage hätte er sich ohrfeigen mögen. Doch sie brannte ihm auf der Zunge, seit er Jennifer kannte. Er brauchte eine Antwort darauf.
Sie rieb sich die Stirn und strich sich lose Haarsträhnen hinter das Ohr. Dann nahm sie ihren Zopf und wickelte ihn um einen Finger. „Sie wollen wirklich alles wissen.“ Das hörte sich unendlich erschöpft an. Er schwieg.
„Nach Codys Geburt wurde untersucht, wer von uns beiden der
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