Julia Extra Band 0299
aufpassen, schalt sich Abby. Nicht auszudenken, wenn sie sich wirklich verletzte.
Im nächsten Moment hielt sie den Atem an. In ihrer Hosentasche klirrte etwas.
O nein! Das war der Schlüsselbund aus dem Chalet. Sie hatte völlig vergessen, ihn zurückzulegen. Verzweifelt schloss sie die Augen. Eine Katastrophe! Nun musste sie den ganzen Weg zurückgehen. Der Prinz musste schließlich die Schlüssel haben. Vielleicht suchte er bereits danach.
Gab es denn wirklich keine andere Lösung? Konnte sie die Schlüssel nicht einfach hier fallen lassen und weitergehen? Der Prinz würde sie früher oder später finden. Und sie hatte wirklich keine Zeit zu verlieren.
Abby zog den Schlüsselbund aus ihrer Tasche und betrachtete ihn nachdenklich.
„Lass ihn einfach fallen“, drängte eine innere Stimme. „Was bleibt dir anderes übrig?“
Brianna bewegte sich im Schlaf. Abbys Finger umschlossen die Schlüssel mit festem Griff.
„Verflixt“, fluchte sie leise. Wieso konnte nicht einmal etwas glattgehen? Natürlich konnte sie die Schlüssel nicht einfach hier zurücklassen. Woher sollte der Prinz denn wissen, wo er suchen sollte? Sie musste sie zurück ins Chalet bringen.
Die Straße führte ziemlich steil bergauf. Abby keuchte schon nach wenigen Schritten. Das nasse Haar hing ihr ins Gesicht, und das Baby wurde unruhig. Als sie schließlich die Hintertür zur Küche erreicht hatte, war sie völlig außer Atem.
Brianna war mittlerweile aufgewacht und quengelte ungeduldig. So gelangten sie niemals unentdeckt ins Haus. Abby probierte die Schlüssel aus, bis sie endlich den richtigen gefunden hatte. Leise öffnete sie die Tür.
Im Haus war es totenstill. Sie legte die Schlüssel auf die Marmorplatte eines Tisches und horchte. Nichts rührte sich. Unsicher biss sie sich auf die Unterlippe. Vielleicht sollte sie sich schnell vergewissern, ob auch alles in Ordnung war?
Wenn Abby später daran zurückdachte, was als Nächstes geschah, war sie stolz, so ruhig und besonnen gehandelt zu haben.
Sie fand Mychale reglos auf dem Fußboden. Wie versteinert vor Schreck starrte sie auf ihn hinab, während ihr das Herz bis zum Hals schlug. Doch dann wurde sie ganz ruhig und begann zu handeln – kühl und mechanisch, wie ferngesteuert.
Zunächst befreite sie sich von ihrem schweren Rucksack, der sie nur behinderte. Dann bettete sie Brianna behutsam auf die Couch und zwar so, dass die Kleine nicht hinunterrollen konnte. Das laute Dröhnen in ihren Ohren ignorierte Abby einfach. Sie eilte zu dem bewusstlosen Prinzen und kniete sich neben ihn.
Er atmete. Gott sei Dank! Allerdings war sein Gesicht bläulich verfärbt. Was war hier geschehen?
Vorsichtig berührte sie ihn. „Mychale?“, fragte sie mit vor Angst bebender Stimme. „Eure Durchlaucht?“
Keine Reaktion. Am liebsten hätte sie laut um Hilfe geschrien. Aber was sollte das bringen? Außer ihr, Brianna und ihm war ja niemand hier. Sie war auf sich allein gestellt.
Der Prinz benötigte dringend ärztliche Hilfe. Verzweifelt überlegte Abby, ob sie versuchen sollte, ihn aufzurichten, oder ob das seine Lage nur verschlimmern würde.
Sie war so aufgeregt, dass sie selbst kaum Luft bekam. Bei einem Blick auf den Tisch, auf dem sich noch die Reste des Frühstücks befanden, wurde ihr heiß und kalt. Hoffentlich lag es nicht an diesem Essen, dass es Mychale so schlecht ging.
Was soll ich bloß tun?, überlegte sie verzweifelt. Sie sah schon die Schlagzeilen vor sich: Prinz von Ausreißerin vergif tet . Man beschuldigte sie nicht nur, das Baby des Thronfolgers entführt zu haben, sondern auch noch, auf der Flucht dessen Bruder ermordet zu haben!
Nur nicht den Teufel an die Wand malen, dachte sie und zwang sich zur Ruhe. Zunächst musste ein Arzt her. Und zwar so schnell wie möglich, bevor Mychales Zustand sich weiter verschlechterte. Aber im Dorf durfte sie sich nicht blicken lassen. Plötzlich hatte sie eine Idee. Gregor Narna, ihr Freund aus Kindertagen, würde ihr sicher helfen. Er hatte Medizin studiert und sein Grundstudium mit Auszeichnung abgeschlossen.
Hoffentlich wohnte er wieder in seinem Elternhaus! Natürlich war das recht unwahrscheinlich. Warum sollte ein erfolgreicher Arzt in sein kleines Heimatdorf zurückkehren? Da dies jedoch ihre einzige Chance war, beschloss Abby, es wenigstens zu versuchen.
Ich muss den Wagen des Prinzen nehmen, überlegte sie und erschrak allein bei dem Gedanken daran. Sie besaß ja nicht einmal einen Führerschein. Allerdings hatten
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