Julia Extra Band 0299
sie sogar mit dem Gedanken gespielt, Gregor zu bitten, sich um den Prinzen zu kümmern, damit sie in Mychales Wagen bis zur Grenze fahren konnte. Irgendjemand konnte das Auto ja später dort abholen. Der Prinz musste gar nicht erfahren, dass sie seinen geliebten Sportwagen ausgeliehen hatte.
Sie hatte direkt hinter Gregors Elternhaus geparkt und erleichtert festgestellt, dass ihr Freund tatsächlich zu Hause war. Er saß in seinem Zimmer über aufgeschlagenen Büchern und lernte – ganz so wie früher, als sie und Julienne Kieselsteine gegen seine Fensterscheibe geworfen hatten, um ihn zu einer Entdeckungstour zu überreden. Wie ein Geschenk des Himmels kam es ihr vor, Gregor gefunden zu haben.
Er sah auf, als sie an sein Fenster klopfte. Erschrocken bemerkte sie die schwarze Augenklappe, ließ sich jedoch nichts anmerken, sondern bat Gregor ohne Umschweife, sich im Chalet um den kranken Prinzen zu kümmern. Alles andere konnte bis später warten.
Gregor stellte keine Fragen, griff sofort nach seinem Arztkoffer und folgte ihr.
„Du darfst niemandem erzählen, dass Prinz Mychale sich im Chalet aufhält. Und mich hast du auch nie gesehen“, sagte Abby eindringlich, bevor sie wieder in den Wagen stieg.
„Du kannst dich auf mich verlassen“, hatte Gregor ernst entgegnet.
Abby war beruhigt. Sie wusste, dass ihr Freund aus Kindertagen sie niemals im Stich lassen würde.
Und genau das versuchte sie jetzt Mychale zu vermitteln. „Sie können sich auf seine Diskretion verlassen. Er ist der vertrauenswürdigste Mensch, den ich kenne.“
Gregor musterte sie neugierig, enthielt sich jedoch jeglichen Kommentars. „Meinen Sie, Sie schaffen es jetzt zur Couch?“, fragte er stattdessen.
Der Prinz sah bereits viel besser aus. „Ich glaube, ich werde es überleben. Vor einigen Minuten war ich mir da noch nicht so sicher.“
„Gut. Abby, du stützt ihn von rechts, ich von links.“
Abby beugte sich vor, damit der Prinz sich auf sie stützen konnte. Er legte ihr einen Arm um die Schultern, und sie half ihm behutsam auf.
„Das klappt ja prima“, sagte Gregor. „Es sind nur einige Schritte.“
Abby betrachtete Mychale von der Seite. Seine Gesichtsfarbe war wieder normal, der Eintagesbart wirkte richtig sexy. Unvermittelt flatterten Schmetterlinge in ihrem Bauch. Sie seufzte leise, doch glücklicherweise konzentrierte der Prinz sich mit aller Kraft auf die wenigen Schritte bis zur Couch und bemerkte nichts davon.
Schließlich war es geschafft. Mychale lag ausgestreckt auf der Couch, erschöpft und mit geschlossenen Augen.
Aufmerksam betrachtete Gregor seinen Patienten, auch Abby konnte den Blick nicht abwenden. Ihre Gefühle schienen Achterbahn zu fahren.
„Es geht schon wieder“, versicherte Mychale einige Minuten später – die Augen noch immer geschlossen. „Langsam bin ich wieder ein Mensch.“
„Klingt gut.“ Gregor holte einige Medikamente aus seinem Arztkoffer. „Sie müssen sich mindestens ein bis zwei Tage ausruhen. Diese Tabletten hier nehmen Sie ein, wenn Sie sicher sind, etwas hinunterzubekommen.“
„Daran ist noch nicht einmal zu denken.“ Mühsam machte Mychale die Augen auf.
„Probieren Sie es in etwa einer Stunde. Nehmen Sie je eine Tablette mit Wasser ein. Ich sehe morgen früh wieder nach Ihnen.“
Mychale wollte nicken und zuckte sofort zusammen. Das Tageslicht schmerzte in seinen Augen. „Danke, Gregor.“
„Schon gut. Abby kümmert sich solange um Sie.“
„Wirklich?“
Der Prinz sah sie hoffnungsvoll an. Sie war hin- und hergerissen. Eigentlich wollte sie um diese Zeit längst außer Landes sein. Außerdem war er es doch, der sie unbedingt hatte loswerden wollen, oder etwa nicht? Und irgendetwas sagte ihr, dass es besser für sie war, möglichst weit entfernt von ihm zu sein.
Allerdings hatte er sie vor einer halben Stunde leise gebeten, bei ihm zu bleiben. Dieses „ Bleib “ hatte geradezu flehendlich geklungen, keinesfalls wie ein fürstliches Dekret. Der Moment hatte sie aufgewühlt. Wahrscheinlich wusste Mychale schon gar nicht mehr, um was er sie gebeten hatte.
Trotzdem musste sie seiner Bitte nachkommen, auch wenn es ihre Pläne über den Haufen warf. Er war der Prinz. Natürlich kümmerte sie sich um ihn, das stand völlig außer Frage.
„Selbstverständlich“, entgegnete sie also. „Ich bleibe hier, solange Sie mich brauchen.“
Erneut warf Gregor ihr einen neugierigen Seitenblick zu. Offensichtlich überlegte er, in welcher Beziehung sie zu dem
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