Julia Extra Band 159
verabschiedeten sich. Morgen würde alles von neuem beginnen.
Alex mußte jetzt einfach allein sein. In dem Trubel vermißte sie ohnehin niemand. Zwei Stunden in der Natur würden ihre Perspektive wieder zurechtrücken. Kein Mann war es wert, daß man sich seinetwegen unglücklich machte.
Sie sattelte Minty, und fünfzehn Minuten später hatte sie den Fuß der Berge erreicht. Sie überließ es der Stute, sich einen Weg zu suchen, und genoß einfach nur die Landschaft. Hier fand sie die Ruhe und den Frieden, um ihre verletzte Eitelkeit zu heilen.
Denn das war es, worauf es letztendlich hinauslief: verletzte Eitelkeit. Sie hatte Cal Hingabe signalisiert und die kalte Schulter gezeigt bekommen. Wahrscheinlich konnte sie sich glücklich schätzen, daß er damit nicht bis „danach" gewartet hatte, und sollte dafür auch noch dankbar sein.
Blöder Chauvi, dachte sie und fühlte sich anschließend beträchtlich besser.
Es ging schon auf Mittag zu, als sie sich endlich widerstrebend auf den Rückweg machte. Wieder überließ sie es Minty, den richtigen Weg zu finden. Nur der gelegentliche Ruf eines Vogels und das gleichmäßige Summen von Insekten störten die sommerliche Stille, die über dem Land lag. Irgendwo in der Ferne entdeckte sie ein Rudel Rehe.
Minty wurde unvermittelt schneller und stellte die Ohren auf. Offenbar hatte sie etwas gewittert. Es traf Alex wie ein Schock, als ihr hinter der nächsten Wegbiegung auf einmal Cal gegen überstand. Er wartete reglos, als sie langsam auf ihn zuritt. Allem Anschein nach war er verärgert.
„Würdest du mir vielleicht erklären, was das nun wieder soll?" herrschte er sie ohne Einleitung an.
„Was soll das denn heißen?" Alex war ehrlich überrascht. „Ich hatte einfach Lust zu reiten, das ist alles."
„Ohne jemandem ein Wort zu sagen?"
„Du hast mich ja offenbar trotzdem gefunden."
„Ich bin deinen Spuren gefolgt."
„Ich dachte, das wäre eine Spezialität der Indianer."
„Ich habe es von einem Indianer gelernt", war die knappe Antwort. „Du weißt genau, daß du nicht ohne Begleitung ausreiten sollst. Abgesehen von allem anderen, ist auf kein Pferd Verlaß, wenn es zum Beispiel einen Bären riecht. Und Bären gibt es hier um diese Jahreszeit viele."
„Und Maulhelden auch", zischte sie und bereute ihre impulsive Antwort im selben Moment.
Seine Augen bekamen einen ganz eigentümlichen Glanz, aber seine Stimme wurde weicher. „Ach, deshalb das ganze Theater? Weil ich heute nacht nicht zu dir gekommen bin?"
Zum Leugnen war es zu spät. Trotzdem versuchte sie es.
„Der Grund für dieses ,Theater`, wie du es nennst, lag schlicht und einfach darin, daß ich Lust zum Reiten hatte. Das habe ich dir bereits gesagt."
„Warum bist du dann so bissig?" Cal lenkte Jed quer über den Weg, so daß sie nicht an ihm vorbeikam. „Du wirst überhaupt nirgends hinreiten, bevor wir das nicht geklärt haben."
„Es gibt nichts zu klären", behauptete sie eigensinnig. „Wir sind quitt."
„Du glaubst wirklich, daß es mir nur darum ging?" Er schüttelte den Kopf. „Rache mag zwar süß sein, mein Engel, aber so süß nun auch wieder nicht. Ich hätte es gar nicht erwarten können, zu dir zu kommen, wenn ich nicht weggerufen worden wäre."
Alex sah zu ihm auf. „Weggerufen?" wiederholte sie etwas dümmlich.
„Einer der Männer hat entdeckt, daß der Zaun an einer Stelle durchgeschnitten war. Deshalb haben wir uns dort auf die Lauer gelegt. Ich bin erst heute morgen zurückgekommen, und da war ich nicht in einem Zustand, an dem wir beide Freude gefunden hätten."
„Habt ihr die Täter erwischt?" Mehr fiel Alex nicht ein.
„Nein. Vielleicht hatten die Täter gemerkt, daß sie entdeckt waren. "
„Dann hast du ja überhaupt nicht geschlafen!"
Cal lächelte ein wenig. „Ich wollte mich noch ein bißchen aufs Ohr legen, nachdem die Gäste abgereist waren, aber das hast du dann ja verhindert."
„Entschuldige." Sie hatte sich wieder einmal ziemlich albern benommen, fürchtete sie. „Ich dachte, du wolltest dich über mich lustig machen."
„Ich gestehe, daß ich heute morgen auch so meine Zweifel hatte, nachdem du mich partout nicht anschauen wolltest", gab Cal zu. „Du kannst die Stimmung schneller wechseln als jede andere Frau, die ich kenne."
„Ich werde versuchen, beständiger zu sein", versprach sie.
„Das würde das Leben beträchtlich einfacher machen." Er blinzelte ihr zu. „Aber vermutlich auch langweiliger."
Er studierte sie einen
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