Julia Extra Band 348
machen, denn er betupfte sich ständig mit einem riesigen Taschentuch den Nacken. Seine etwa dreißig Jahre jüngere, auf schwindelerregend hohen Absätzen balancierende Begleiterin überragte ihn erheblich. Sie hatte hellblondes, fast bis zur Taille reichendes Haar und atemberaubend lange Beine, die von den knappen Jeans-Hotpants noch betont wurden. Sie wirkt wie einem Hochglanzmagazin entsprungen, dachte Zara, während sie sich beim Blick auf die knallroten Lacklederpumps der Frau plötzlich deprimierend unattraktiv fühlte.
Nikolai hob grüßend die Hand. „Sergei! Ich kann es kaum glauben, dass es mir tatsächlich gelungen ist, Sie aus dem wunderschönen Paris wegzulocken. Spüren Sie schon Entzugserscheinungen?“
„Einladungen ins Paradies sind einfach zu selten, als dass man sie ausschlagen könnte“, sagte der Mann und lachte dröhnend. „Obwohl ich glaube, dass es auch für Sie manchmal von Vorteil sein könnte, einen freundschaftlich gesinnten Moskowiter ins Vertrauen zu ziehen. Wir Russen sehen die Welt doch aus einer ganz eigenen Perspektive.“
„Ah, das Problem ist nur, dass ich Menschen gegenüber grundsätzlich argwöhnisch bin.“
„Ja, mir ist auch schon zu Ohren gekommen, dass Sie sich nicht gern in die Karten schauen lassen“, mischte sich die Blondine lebhaft ein.
Nikolai zog die Augenbrauen hoch. „Ich glaube nicht, dass wir uns schon mal begegnet sind, oder?“, fragte er ungerührt.
„Nein, wir kennen uns nicht. Ich bin Crystal“, erklärte die Blonde eifrig. „Und Sie sind Nikolai. Tja … jetzt wird mir klar, warum meine Freundinnen alle grün geworden sind vor Neid, als sie hörten, wo ich eingeladen bin!“ Ihre Lippen glänzten in der Sonne. „Gott, ich bin wirklich am Verdursten! Wir standen bei Monte Carlo ewig im Stau. Bekomme ich etwas zu trinken, bevor ich ohnmächtig werde?“
Nikolai lächelte kühl. Na, vielleicht machen ja ihre Qualitäten im Bett ihre schlechten Manieren wett, dachte er zynisch, während er auf Zara deutete. „Aber natürlich. Wie wär’s mit Champagner?“
„Oh, ich liebe Champagner!“
„Das dachte ich mir“, bemerkte Nikolai trocken. „Aber warum setzen wir uns nicht da drüben hin und genießen den Garten? Es gibt doch bald Mittagessen, Zara?“
Wenig später servierte Zara einen Salat aus Meeresfrüchten und schenkte Sergei zum wiederholten Mal Whiskey nach, den dieser fast wie Wasser trank.
Zwischendurch unterhielten sich Nikolai und Sergei immer wieder auf Russisch, während Crystal wenig sagte und noch weniger aß. Zum Ausgleich dafür ließ sie sich reichlich Champagner nachschenken, ansonsten schaute sie mit mürrischer Miene auf das glitzernde Mittelmeer hinaus.
Wie muss eine Frau sich fühlen, wenn sie derart ignoriert wird? überlegte Zara, während sie eine blassgelbe Zitronentorte zum Nachtisch servierte. Störte es Crystal nicht, wie ein Gegenstand behandelt zu werden, oder betrachtete sie das als den Preis, den sie für den Eintritt in die glitzernde Welt der Superreichen bezahlen musste? Zara war so in ihre Gedanken vertieft, dass sie Nikolais spöttischen Blick nicht bemerkte. Erst als sie aufschaute, sah sie direkt in seine kühlen Augen. Und wurde natürlich prompt wieder rot.
„Wenn Sie jetzt bitte so freundlich wären, uns den Kaffee zu bringen, Zara“, sagte er leise.
Sie nickte. Ihr Hals war wie ausgetrocknet. „Selbstverständlich, Sir. Soll ich hier draußen servieren?
„Ja, bitte.“
Es war ein Dialog zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer, wie sie ihn schon unzählige Male geführt hatte, aber diesmal fiel es Zara schwer, nicht mit ihrer untergeordneten Stellung zu hadern, während sie eilig in die Küche ging.
Warum hatte sie plötzlich solche Probleme mit ihrer Rolle? Weil sie einen kleinen Einblick in Nikolais Leben erhalten hatte, das sie sehr anziehend fand? Aber war das nicht gefährlich?
Als sie sich zu ihm hinunterbeugte, um ihm Kaffee einzuschenken, registrierte Nikolai die kaum wahrnehmbaren winzigen Schweißperlen auf ihrer Stirn. Unter ihrer schlichten weißen Bluse zeichnete sich ein BH ab, der eher praktisch als sexy zu sein schien. Nikolais Blick wanderte zu den unmöglichen schwarzen Schuhen. Was ist los mit dir? fragte er sich irritiert. Ausgerechnet er, dem die schönsten und weltgewandtesten Frauen zu Füßen lagen, konnte sich kaum sattsehen an einer kleinen Kellnerin, die ein tiefes Verlangen in ihm weckte? Das war doch absurd!
Und warum zum Teufel verspürte er dann
Weitere Kostenlose Bücher