Julia Festival Band 86
einzuschlafen?
Weil die Situation sie entsetzlich quälte. Es war demütigend und brachte sie auf die Palme, von Joe für so schrecklich gehalten zu werden, dass er glaubte, es seiner Großmutter heimzahlen zu können, indem er sie, Lucinda, zu seiner Braut erklärte. Lucinda legte sich wieder auf den Rücken. Das Ganze war grotesk! Nie im Leben würde sie auch nur daran denken, jemanden wie ihn zu heiraten.
Er fand sich offenbar unwiderstehlich – mit seinen faszinierend blauen Augen, dem verführerischen Lächeln, dem jungenhaften Charme, dem umwerfend attraktiven Äußeren und dem Haus in Pacific Heights.
O ja, er hatte eine hohe Meinung von sich. Aber konnte er seine Ahnen bis zur Mayflower zurückverfolgen? Hatte er auch einen Familienstammbaum, der zahlreiche Namen aufwies, die jedes Schulkind in Amerika kannte?
Sie konnte sich nur zu gut die Reaktion ihrer Mutter vorstellen, wenn sie ihr sagte, sie sei mit Joe verlobt. Sie wäre sicherlich genauso entsetzt wie seine Großmutter, würde vielleicht sogar in Ohnmacht fallen. Denn einen Romano und eine Barry trennten Welten.
Er war zu ungehobelt, zu direkt, zu raubeinig und ein zu großer Macho. Auch konnte er nicht immer ein Kopfarbeiter gewesen sein, denn er hatte beeindruckende Muskeln.
Diese Muskeln, die ich gespürt habe, als er mich umarmt und geküsst hat. Als er mich geküsst hat, als hätte er noch keine Frau so begehrt, als wäre nur ich wichtig …
Lucinda runzelte die Stirn, knipste die Nachttischlampe an und holte sich eines der Kochbücher, die sie auf die Kommode gelegt hatte. Eigentlich brauchte sie dringend etwas Schlaf, doch es würde wohl nur ein frommer Wunsch bleiben. Denn wie sollte sie zur Ruhe kommen, wenn sie einen Handel mit dem leibhaftigen Teufel geschlossen hatte?
Sie war sich ziemlich sicher, dass Joe dachte, sie würde in der Küche nichts zustande bringen, diesen „Nachteil“ aber ausgleichen könnte, indem er sie verführte.
„Zweifach geirrt, Romano“, sagte sie laut und schlug das Buch auf.
Als Joe um kurz vor sechs aufstand, war der Himmel bewölkt, und es nieselte. Er stellte sich unter die Dusche – das dritte Mal, seit er zu Bett gegangen war – und zog sich danach ein altes, an den Ärmeln abgeschnittenes Sweatshirt an, graue Shorts und seine halbhohen, auch schon etwas betagten Laufschuhe.
Ein Blick in den Spiegel bestätigte ihm, dass er genauso aussah, wie er sich fühlte – ziemlich zerschlagen. Denn jedes Mal, wenn er endlich eingeschlafen war, hatte er von der Blondine nebenan geträumt und eine kalte Dusche genommen.
Jetzt ist Schluss damit, beschloss Joe grimmig, als er sein Zimmer verließ. Blondie – und so würde er sie weiter nennen, ob es ihr gefiel oder nicht – war wirklich nichts Besonderes.
„Guten Morgen.“
Fast hätte er die nächste Stufe verfehlt, so überrascht war er, Lucindas Stimme zu hören. Ganz in Weiß gekleidet, stand sie am Fuß der Treppe und blickte ihm entgegen.
„Entschuldigen Sie, ich wollte Sie nicht erschrecken.“
„Das haben Sie auch nicht“, log er, während er sie betrachtete. Sie hatte sogar eine Kochmütze auf.
„Ich hielt es für das Beste, berufsmäßig gekleidet zu sein. Falls irgendwelche Bekannte von Ihnen vorbeischauen.“
Am Sonntagmorgen um sechs? „Oh … ja.“
„Es ist eine Sache, dass Ihre Großmutter meint, wir wären … Sie wissen schon. Aber für andere Leute sollte ersichtlich sein, dass ich Ihre Köchin bin.“
„Meine Köchin.“ Unwillkürlich dachte er an die Eier von gestern. „Oh … ja. Aber ich will jetzt joggen. Es ist ja noch sehr früh …“
„Ich weiß. Mir ist eingefallen, dass Sie gern laufen, und ich habe mir den Wecker auf halb sechs gestellt, damit ich Zeit habe, das Frühstück zu machen.“
Das Frühstück, o verflixt! „Ich verstehe, aber …“ Gestern hatte er zwar gesagt, sie solle kochen, doch das hatte er nicht ernst gemeint. Sie konnte nicht kochen, und er hatte nicht die geringste Lust auf verbrannten Speck mit missratenen Eiern. „Ich esse nie etwas vorm Joggen“, erklärte er höflich.
„Natürlich nicht. Mein Verlobter …“
„Sie sind verlobt ?“
Lucinda schüttelte den Kopf. „Nicht mehr. Aber …“
„Sie wollten heiraten?“
„Ja“, antwortete sie leicht gereizt. „Warum überrascht Sie das, Mr. Romano?“
„Ich weiß nicht. Ich dachte …“ Es sollte ihm egal sein, auch wenn sie ein Dutzend Verlobte gehabt hatte.
„Haben Sie gedacht, dass eine Frau wie ich niemanden
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