JULIA VALENTINSBAND Band 19
wohl kein Diplom.“
Er zuckte die Schultern.
„Und deine Eltern? Sind sie jetzt nicht auch der Meinung, dass du es richtig gemacht hast? Weil du erfolgreich bist und viel Geld verdienst?“
„Sie sagen, dass sie sehr stolz auf mich sind. Ich wollte nicht den Eindruck erwecken, dass sie mich damals im Stich gelassen haben. Sie hatten nur … ich weiß es nicht so genau. Sie leben ihr Leben, und ich lebe eben meins.“
Am liebsten hätte Erin ihn weiter ausgefragt, aber sie wusste, dass sie sich damit zu weit vorgewagt hätte. Schließlich sollte Wes nur ein Mann für den Übergang sein, und Übergangsmänner bleiben eben möglichst unverbindlich. Je intensiver sie sich auf seine Geschichte einließ, desto schwieriger würde es am Ende werden, sich auf das nächste Abenteuer einzulassen, das das Leben ihr zu bieten hatte.
Obwohl es sie natürlich brennend interessierte, ein bisschen tiefer zu graben …
„Und was ist mit dir?“, fragte Wes. Er hatte sich immer noch lässig im Stuhl zurückgelehnt und beobachtete sie aufmerksam. „Du hast gesagt, dass deine Eltern auch von der Ostküste stammen.“
„Aus Milwaukee. Nicht ganz die Ostküste.“ Sie griff wieder nach den Pommes. „Vor meiner Geburt sind sie nach Arroyo Grande gezogen. Das liegt in der Nähe von Cal Poly, bei San Luis Obispo.“
„Und dort bist du mit Cheryl zusammen zur Schule gegangen.“
„Du hast ein gutes Gedächtnis.“ Erin lächelte. „Vor ein paar Jahren sind meine Eltern in den Ruhestand gegangen. Sie sind wieder in ihre alte Heimat gezogen, wollten unbedingt den Rest der Familie wieder um sich haben. Und weißt du, wen aus ihrer Familie sie auch gern um sich hätten?“ Sie zeigte mit dem Finger auf sich selbst.
„Du willst Kalifornien verlassen?“, fragte Wes.
„Oh nein. Es ist nur …“ Sie zögerte. „Meine Familie ist felsenfest überzeugt, dass ich seit der Trennung von William hier nichts mehr zu suchen habe. Sie stellen sich mein Leben vor wie ein weißes Blatt Papier, das dringend beschrieben werden muss, und sie begreifen einfach nicht, dass ich hier zu Hause bin. Hier habe ich meinen Laden, meine Freunde …“
Und andere Dinge.
Erin wich seinem Blick aus, weil sie nicht einmal ahnen wollte, was ihm gerade durch den Kopf ging. Während sie sich über ihre Familie unterhielten, hatte sie versucht, sich vorzustellen, wie sie wohl auf Wes reagieren würden. Du lieber Himmel, dachte sie spontan, Mom wäre entsetzt, weil Wes eben nicht der wunderbare William war … den Erin nach ihrer Meinung vollkommen grundlos in die Wüste geschickt hatte. Ihr Dad würde mehr Verständnis aufbringen. Aber Wes’ charmante Art würde ihn trotzdem misstrauisch machen. Vermutlich reagierten alle Väter so auf die Freunde ihrer Töchter, aber sie war sich nicht ganz sicher, ob das auch auf ihn zutraf. William war zumindest nicht die Spur charmant gewesen. Und was war mit ihren Schwestern, der älteren und der jüngeren? Sie würden ihr einreden, dass sie mit diesem notorischen Playboy doch nur ihre Zeit verschwendete.
Aber keiner aus meiner Familie kennt Wes, dachte Erin unwillkürlich, nicht wie ich ihn k…
Stopp, unterbrach sie sich. Ich kenne ihn auch nicht. Und dabei sollte es auch bleiben.
„Und was ist mit William?“, fragte Wes.
Als sie den Namen hörte, schoss wieder die Wut in ihr hoch. Sie wehrte sich mit aller Macht dagegen, dass ihr Ex an diesem Wochenende irgendeine Rolle spielen sollte … dass er in das Idyll mit diesem attraktiven Mann einbrach, der sie so oft vergessen ließ, welche Katastrophe hinter ihr lag.
„Wir befinden uns auf einer romantischen Kreuzfahrt“, bemerkte Erin und versuchte wieder, einen lockeren Tonfall anzuschlagen. „Gespräche über Exfreunde sollten besser tabu bleiben, oder?“
„Okay. Exfreunde sind absolut tabu.“
Sie schwiegen einen Moment lang, und das Geklimper des Silberbestecks überdeckte die Gespräche, die von den Nachbartischen herüberdrangen. Das Schiff schwankte kaum merklich hin und her, und Erin wurde wieder bewusst, dass sie sich tatsächlich auf hoher See befanden. Auf Kreuzfahrt. Mit einer Affäre. Ein Wochenende auf der Flucht.
Ihr krampfte sich der Magen zusammen, weil es ihr plötzlich nicht mehr gelang, die Erinnerung an William abzuschütteln. Die Gedanken und Bilder schienen wie Blei auf ihr zu lasten, und sie zuckte heftig mit den Schultern, um sie loszuwerden.
„Erin, alles in Ordnung?“
„Vermutlich bin ich die Wellen nicht gewohnt“,
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