Julischatten
das Falsche sagte. Sim öffnete den Mund, doch bevor sie etwas erwidern konnte, schnappte er ihren Arm, zog sie zu sich heran und küsste sie tief und wild. Er wollte ihr keine Chance geben zu antworten, er wollte nur, dass sie zu ihm gehörte.
Sim stemmte die Handflächen gegen seine Brust und stieß ihn von sich. Da war keine Wut in ihren Augen und auch keine Angst. Nur die Gewissheit, dass sie ihn nicht mehr wollte. Die Schmach der Zurückweisung ließ Jimis Zorn aufblühen wie Glut unter der Asche, in die Wind bläst.
Juniper kam bellend den Hügel hinaufgejagt, bereit, Sim zu verteidigen. Jimi drehte sich um und lief den Pfad hinunter, der ihn wieder zu seinem Auto bringen würde.
Nach ein paar Metern drehte er sich noch einmal um. »Er kann dir nicht weglaufen«, rief er Sim zu, »deshalb hast du dich für ihn entschieden.«
Sie antwortete nicht. Doch die Trauer in ihren Augen sprach ihre eigene Sprache.
Als er bei seinem Mustang angelangt war, knallte Jimi die Tür zu, ließ den Motor aufheulen und machte sich auf den Weg zur Schlucht. Es war schon zwei durch, vielleicht war Lukas gar nicht mehr da. Aber wenn er es war, konnte er sich auf etwas gefasst machen.
Jimi ließ das Auto auf dem unbefestigten Weg am Fuße eines Hügels stehen und lief über das sonnenverbrannte Gras hinauf. Als er auf der Kuppe stand, konnte er Lukas auf dem Felsvorsprung sitzen sehen. Vermutlich hockte er da schon seit Stunden und wartete, während ihm das Hirn eintrocknete. Der Idiot.
Ghost graste in einem grünen Seitental. In der Ferne, über den leuchtenden Zacken der Badlands, brauten sich dunkle Wolken zusammen. Jimi stieg in die Talsenke hinunter und den Pferdepfad zur Felsplatte wieder hinauf. Als er sich Lukas bis auf zehn Meter genähert hatte, rührte der sich noch immer nicht. Vermutlich hatte er wieder Druck auf den Ohren, deshalb hatte er ihn nicht kommen gehört.
Jimi blieb stehen, zog eine Zigarette aus seiner Hosentasche und schob sie zwischen die Lippen. Er hatte das Feuerzeug schon in der Hand, doch ein verborgener, hässlicher Teil in ihm ließ ihn zögern. Das Klacken des Feuerzeuges würden Lukas’ Fledermausohren mit Sicherheit wahrnehmen und dann musste sich Jimi allem stellen. Seiner Eifersucht, seinem verletzten Stolz und seinem Zorn, den er seit der Party mit sich herumtrug wie ein kleines scharfes Messer.
Er ließ ein paar Minuten verstreichen. Lukas zu beobachten, ohne dass der sich seiner Anwesenheit bewusst war, gab ihm ein Gefühl der Überlegenheit. Die Macht des Sehenden dem Blinden gegenüber. Genützt hatte es ihm nichts, dass er zwei gesunde Augen hatte – jedenfalls nicht bei Sim.
Als Lukas aufstand und sich umdrehte, hielt Jimi den Atem an. Lukas’ Nachtaugen waren direkt auf ihn gerichtet. Es waren die Augen eines Sehers, obwohl sie nichts sahen.
»Jimi, bist du das?«
Konnte Lukas auch Gedanken hören? Jimis Finger umklammerten das Feuerzeug. Er antwortete nicht. Er schwieg und betrachtete den Freund, wie er den Kopf schief legte und angestrengt lauschte. Schließlich hob er die Hand und zündete seine Zigarette an.
»Jimi, bist du da? Ich muss mit dir reden, hörst du. Es ist wichtig.«
Er nahm einen tiefen Zug und stieß langsam den Rauch aus.
»Was soll der Unfug, Champ?«, fragte Lukas. »Komm schon, ich weiß, dass du da bist.«
Nur ein paar Meter lagen zwischen ihnen, doch gleichzeitig war es eine Kluft so breit wie der Grand Canyon. Jimi nahm noch ein paar Züge, dann konnte er seinen Zorn nicht länger im Zaum halten. Er musste Lukas schlagen oder gehen. Wortlos drehte er sich um und folgte dem Pferdepfad zurück in die Senke. Er drückte die Kippe an seiner Schuhsohle aus und schnippte sie ins Gras. Mit schnellen Schritten stieg er den Hügel hinauf, hinter dem er seinen Wagen abgestellt hatte.
Oben angekommen, warf er doch noch einen Blick zurück. Lukas stand auf der Felsplatte und hatte sein Handy in der Hand. Ehe Jimi reagieren konnte, meldete sich sein eigenes Mobiltelefon. Er zog es aus der Hosentasche und das Wolfsheulen hallte über den Hügel. Ein Blick auf das Display. Lukas. Jimi drückte ihn weg und wandte sich zum Gehen, als er aus dem Augenwinkel heraus mitbekam, wie aus dem Gras in der Senke eine dünne Rauchfahne aufstieg. Die Kippe, schoss es ihm durch den Kopf, sie war nicht richtig aus gewesen.
Sein erster Impuls war, hinunterzulaufen und den Brandherd zu löschen. Aber er tat es nicht. Fasziniert starrte er auf die Flammen, die aus dem Gras
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