Julius Eichendorff 02 - Nomen est Omen - Eifel Krimi
zurück, stellte den Tee ab und strich seiner Kusine über den Rücken. »So schlimm?«
»Die machen mich fertig! Ich hätte ihnen besser nie was davon erzählt.«
»Dann hör doch einfach auf damit.«
Sie nahm einen Schluck, stellte die Tasse dann angewidert auf den Unterteller und warf sechs Stücke Zucker hinein. »Zu spät. Jetzt wollen sie alle mitreden. – Kannst du nicht mal mit ihnen sprechen?«
»Nein. Wirklich nicht. Das müsst ihr schon miteinander ausmachen, ich will da nicht zwischen den Fronten stehen. Am Ende ist man nur der Depp.«
»Aber du bist doch so was wie unser«, Anke suchte nach dem richtigen Wort, »Familienoberhaupt.« Sie zog etwas aus der Tasche. »Ich hab was für deinen Kater mitgebracht.« Sie warf Herrn Bimmel eine bunte Maus zu, die sich sofort wieder von allein aufrichtete. Julius wusste, was passieren würde. Der Kater würde einmal dagegen schlagen und sie dann nie wieder beachten. Je teurer das Katzenspielzeug, desto größer die Chance, dass es ihn kalt ließ. Verpackungspapier, Schnüre und leere Kartons hatte die pelzige Kugel dagegen als Lieblingsspielzeug auserkoren. Auch jetzt trollte er sich nach einem kurzen, lustlosen Schnüffeln an der Maus wieder in seinen zerbeulten Postkarton.
Familienoberhaupt, dachte Julius, wie war er nur zu dem undankbaren Job gekommen? Seit der Sache mit Gisela, seit er den Mord an Siggi Schultze-Nögel aufgeklärt hatte, war sein Ansehen in der Familie sprunghaft gestiegen. Er war also jetzt derjenige, der Probleme löste. Er war plötzlich der, an den man sich zuerst wandte.
Und dessen Wort zählte.
Es schmeichelte Julius, dass Anke ihn als Familienoberhaupt bezeichnete.
Er fuhr sich durchs schüttere Haar.
Er würde ein gütiger Patriarch sein.
»Der spielt ja gar nicht damit!«, sagte Anke.
»Kommt noch«, log Julius.
»Dein Herr Bimmel wird in letzter Zeit überall gesichtet. Der kleine Räuber soll jüngere Katzen jagen.« Sie ging zum Kater und struwelte ihm über den Kopf.
»Midlife-Crisis.«
»Sprichst du jetzt mit meiner Mutter?«
»Nein.«
» Warum nicht?«
»Hab ich dir doch schon gesagt. Das ist eure Sache.«
»Es ist wegen diesem Mord, oder? Von dem die Zeitungen voll sind? Der Mann, der durch Wände gehen kann?«
»Das eine hat doch mit dem …«
»Da liest man ja jetzt überall von. Hätte ich mir ja denken können, dass du da mit drinsteckst.«
»Noch einen Tee?«
»Bitte!« Anke meinte nicht den Tee.
»Nein.«
»Ich sag ihr, du wärst auf meiner Seite.«
»Du sagst überhaupt nichts!«
»Willst du einer schwangeren Frau widersprechen?«
»Ich will … ach Mensch, Anke!«
»Sei nicht so!«
»Nein. Basta. Kann ich dir sonst noch irgendwie nicht helfen? Ich muss nämlich langsam mal in die Gänge kommen.« Sein Dasein als Familienoberhaupt wurde Julius schneller lästig, als er gedacht hatte. Er hasste es, um etwas gebeten zu werden, was er nicht erfüllen konnte. Er war nicht gut darin, anderen Wünsche abzuschlagen. Gott sei Dank stand Anke nun aber auf.
»Eine Sache noch. Mein Mann isst doch so gern Rosenkohl.« Sie tat, als müsse sie würgen. » Ich kann das Zeug aber nicht mehr sehen. Hast du einen Tipp, was ich damit Ungewöhnliches kochen könnte?«
»Rosenkohl, du mysteriöses Gemüse, der erste Frost ist dir geschmacklich zuträglich, weil dein Zuckeranteil dann in die Höhe schießt.«
»Genau der. Hättest du da eine Idee?«
»Rosenkohl, den es dich erst seit rund hundert Jahren gibt, dank den einfallsreichen Belgiern und römischen Kohlhinterlassenschaften.«
»Hallo? Erde an Julius? Ein Rezept!«
Julius verlor den glasigen Blick und wurde wieder sachlich. Doch das Lächeln in seinem Gesicht verschwand nicht. »Hast du ihn schon mit Speck und Maronen gemacht?«
»Als Allererstes.«
»Glasiert?«
»Ja.«
»Als Rosenkohlauflauf oder Rosenkohlsuppe?«
»Das hätte jetzt auch von meiner Mutter kommen können.«
Julius hielt einen Augenblick inne. Dann fasste er einen Entschluss. »Okay. Das ist jetzt aus dem Nähkästchen. Dieses Rezept wird nicht weitergegeben!«
»Jetzt mach schon.«
»Das ist wirklich wichtig! Es steht zurzeit auf der Karte. Das geht eigentlich gar nicht.«
»Ich gehöre doch zur Familie.«
Als wäre das etwas, worauf man stolz sein könnte, dachte Julius. »Hast du was zum Schreiben?«
»Sekunde.« Sie holte einen ungeöffneten Briefumschlag und einen Stift hervor. »Bin so weit.«
»Das Rezept heißt: Lauwarmer
Weitere Kostenlose Bücher