Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jung, blond, tot: Roman

Jung, blond, tot: Roman

Titel: Jung, blond, tot: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
Vom Netzwerk:
großartig erledigen? Hier ist nichts als Wald und Straße. Überall Laternen, dazu dichter Verkehr. Und um halb neun abends würde ich mich hier auch noch ziemlich sicher fühlen. Kommen Sie, ich schlage vor, wir schauen uns die Gegend mal ein bißchen näher an.« »Sie sprechen von einer Kleinigkeit, die sie vielleicht erledigen wollte«, bemerkte Schulz und schlug die Fahrertür zu. »Aber wenn von dieser Kleinigkeit nicht einmal ihre beste Freundin etwas weiß oder wissen durfte, dann war es vielleicht doch keine Kleinigkeit.« Julia Durant nickte. Schulz hatte recht. Wenn sie erst hier ausgestiegen war, was immer wahrscheinlicher wurde, dann mußte es einen verdammt triftigen Grund geben. Vielleicht sogar einen, der sie das Leben kostete. Die Wolkendecke wurde löchriger, vereinzelt drängten erste Sonnenstrahlen durch das Grau. Drückende Schwüle, auf den Boden gedrückte Abgase der Autos, die in langen Kolonnen an ihnen vorüberzogen. Nachdem sie etwa dreihundert Meter tief in den Wald hineingelaufen waren, über knackendes, morsches Reisig und abgebrochene Äste, erkannten sie die Sinnlosigkeit, zu zweit dieses weitausgedehnte Terrain absuchen zu wollen. Dies war mehr als nur die Suche nach einer Nadel im Heuhaufen. »Wonach suchen wir eigentlich?« fragte Schulz. »Ist es nicht geradezu pervers, daß wir schon wenige Stunden, nachdem ein Mädchen vermißt wird, daran denken, daß es eigentlich gar keine andere Erklärung geben kann, als daß sie tot ist?« »Ich wünschte, wir brauchten diese Möglichkeit nicht in Betracht ziehen.« Sie kehrten zum Wagen zurück, Schulz nahm über Funk Kontakt zu Berger auf, bat ihn, eine Hundertschaft und eine Hundestaffel loszuschicken, um das Gebiet um das 27 Oberforsthaus zu durchkämmen. Gleichzeitig sollten Anlieger befragt werden, ob ihnen am vergangenen Abend zwischen acht und etwa zehn Uhr etwas Ungewöhnliches aufgefallen war.
Das Einsatzkommando traf bereits vierzig Minuten später ein. Instruktionen wurden ausgegeben, die Hunde schnüffelten am Pyjamaoberteil, die Männer und Hunde schwärmten aus. Nach einer weiteren halben Stunde machten sich Schulz und Durant auf den Weg zurück ins Präsidium. Sie hofften, ihre Befürchtung würde nicht zur Gewißheit, es gäbe für alles eine plausible und harmlose Erklärung. Auch wenn die Chancen dafür im Augenblick eher schlecht standen.

Freitag, 10.00 Uhr
    Dr. phil. Alexander Patanec, vierundvierzig, Philosoph, Psycho- und Hypnosetherapeut, Buchautor, Astrologe, Kartenleger und Medium (er selber bezeichnete sich als genialen Esoteriker), machte Notizen auf einer Karteikarte, um einige der wenig bemerkenswerten Details aus der eben beendeten Sitzung mit seiner Klientin zu vermerken. Neben sich hatte er eine Tasse mit heißem Kaffee stehen, den er schwarz und ohne Zucker trank. Patanec legte den Stift beiseite, steckte die Karte in den Karteikasten, lehnte sich zurück. Die allmählich durch die Wolken brechenden Sonnenstrahlen fielen durch das breite, vom Boden bis zur Decke reichende Fenster auf seinen Hinterkopf, er drehte sich mit dem Sessel und ließ die Jalousie gerade so weit herunter, daß noch genügend Licht einfiel. Er verschränkte die Arme hinter dem Kopf und starrte einen Moment an die erst vor wenigen Tagen frisch geweißte Decke. 27 Ihm blieben ungefähr zehn Minuten bis zur nächsten Klientin. Eine schöne, attraktive Frau, die ein dichtes, unsichtbares Netz um sich gewebt hatte, das zu durchdringen ihm bis jetzt nur ansatzweise gelungen war. Obwohl erst sechsunddreißig Jahre alt, kam sie bereits im elften Jahr zu ihm, sprach sich aus (elf Jahre lang Seelen-Smalltalk und Analyse), er hatte schon mehrmals versucht, sie zu bewegen, sich einer Hypnosebehandlung zu unterziehen, um die Wurzeln ihrer Lebensangst zu erforschen, bislang erfolglos. Ihr Inneres wehrte sich vehement gegen eine mögliche Einflußnahme auf das Unterbewußtsein. Auch das Angebot von Patanec, ihr ein Horoskop zu erstellen, hatte sie bisher entschieden abgelehnt. Als fürchtete sie sich vor einer Wahrheit, die sie zwar kannte, aber nicht wahrhaben wollte. Sie tat, als würde sie an diesen Horoskop-Humbug, wie sie es nannte, nicht glauben, in Wirklichkeit hatte sie nur Angst davor. Er ließ seinen Blick durch den großzügig eingerichteten Raum schweifen; dies tat er mehrmals am Tag, und er tat es gerne, es verschaffte ihm Genugtuung zu wissen, es geschafft zu haben, den Weg, den seine Mutter ihm nach Vaters frühem Tod bereitet

Weitere Kostenlose Bücher