Jung, blond, tot: Roman
nach Hause. Der Arzt hat gemeint, es würde keinen Unterschied machen.« »Hör zu, Schatz«, sagte Schulz und bewegte sich auf Joanna zu, »es tut mir leid wegen eben. Es tut mir wirklich leid. Laß es uns vergessen.« Er wollte sie umarmen, sie stieß ihn zurück.
»Geh schlafen. Du hast deine Ruhe bitter nötig.« Sie trank ihr Glas leer, pulte mit dem Zeigefinger wieder am Daumen, ihr Blick wanderte zum Fenster. Er drehte sich um, ging nach oben, zog sich aus, duschte kurz, legte sich ins Bett. Er fühlte sich hundeelend.
Joanna kam fünf Minuten später. Sie legte sich neben ihn, ihr Atem roch nach Alkohol und Zigaretten vermischt mit dem frischen Duft von Zahnpasta. Mit ihren Fingern fuhr sie langsam über seine Brust und seinen Bauch, ihre Haare kitzelten in seinem Gesicht. »Entschuldige, das war eben dumm von mir. Ich weiß selbst nicht, was mit mir los ist, ich könnte mich manchmal für mein Benehmen ohrfeigen. Ich will gar nicht so sein! Ich habe das eben nur gemacht, um dich zu ärgern. Was ist bloß los mit mir?« Schulz drehte sich auf die Seite, nahm sie fest in den Arm. Sie weinte, weil sie sich selbst haßte, Tränen tropften auf seine Brust. Er schlief mit ihr.
Samstag, 18. September, 7.30 Uhr
Julia Durant wurde vom Sonnenlicht geweckt, das wie spitze Nadeln in ihre Augen stach. Sie verfluchte sich dafür, nicht wenigstens die Vorhänge zugezogen zu haben, doch letzte Nacht war sie so erschöpft gewesen, daß sie sich nur noch ins Bett hatte fallen lassen. Sie wachte in unnatürlich verrenkter Stellung auf, den Kopf fest in den Nacken gepreßt, stechender Druck bis in die Stirn. Dazu bohrende Übelkeit, sie hatte seit gestern Spätnachmittag nichts gegessen, nur Unmengen an Kaffee in sich hineingeschüttet. Sie drückte instinktiv auf den Wecker, den sie auf acht gestellt hatte. Langsam schob sie sich hoch, setzte sich auf die Bettkante, stützte den Kopf in die Hände. Atmete ein paarmal tief durch, um die Übelkeit zu bekämpfen, schaute durchs Zimmer. Es wurde Zeit für einen Putztag, doch entweder war sie zu beschäftigt oder einfach zu müde dafür. Das Pochen im Schädel ging in Hämmern über, sie rannte ins Bad und erbrach zähen, grünlichen Schleim. Sie atmete tief ein und kräftig wieder aus, um den Würgereiz zu unterdrücken. Sie stöhnte, besah sich im Spiegel, ihre Beine zitterten. Ihr Magen schmerzte, die Augen waren blutunterlaufen, Tränen der Anstrengung liefen über ihr Gesicht, die sonst vollen, roten Lippen waren blaß und kaum ein Kontrast zur Haut, ein paar Strähnen des dunklen Haares klebten schweißnaß an der Stirn. Sie drehte den Wasserhahn auf, schöpfte mit der Hand Wasser in den Mund, spülte kräftig aus. Befeuchtete das Gesicht mit kaltem Wasser. Trotz der anhaltenden Übelkeit verspürte sie Appetit auf ein gutes und reichhaltiges Frühstück. Jeder, der sie und ihren nervösen Magen kannte, schüttelte nur ungläubig den Kopf, wie sie kurz nach dem Erbrechen gleich wieder etwas essen konnte.
Sie trug nur ein bis knapp über den Po reichendes, weitgeschnittenes Herrenhemd und einen Slip. Barfuß ging sie in die Küche, stellte sich auf den kalten Steinfußboden, holte die Packung Toastbrot heraus, fluchte wenig damenhaft, weil sich bereits dicker Schimmel am Rand gebildet hatte, das Haltbarkeitsdatum war seit zwei Wochen abgelaufen, sie warf die Packung wütend auf den überquellenden, stinkenden Müllbeutel, nahm ihn und stellte ihn vor die Tür, um ihn nachher mit nach unten zu nehmen. Sie riß die Schranktür auf, fand nur eine Tüte mit Haferflocken, hoffte inständig, daß die Milch, die seit einer Woche im Kühlschrank stand, zum Glück unangebrochen, noch nicht sauer war. Schüttete den Teller dreiviertelvoll mit Haferflocken, mischte etwas Zucker und Kakao darunter. Zog die Lasche auf, roch an der Milch, sie hatte noch nicht einmal einen Stich. Sie kippte so viel Milch über die Haferflocken, bis es fast über den Tellerrand schwappte. Vorsichtig und ohne zu kleckern, verrührte sie Haferflocken und Milch, aß langsam. Nach dem Frühstück setzte sie einen Kessel auf, gab zwei Löffel Instantkaffee in eine große Tasse, rauchte eine Zigarette, wartete auf das Pfeifen des Kessels. Ihr Magen hatte sich wieder beruhigt, sie nahm sich zum wer-weißwievielten-Male vor, in Zukunft besser aufzupassen und öfters eine Kleinigkeit zu essen, die einzige Möglichkeit, ihren Magen bei Laune zu halten. Der Kessel pfiff, sie goß Wasser in die Tasse, stellte sie vor
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