Jung, blond, tot: Roman
sich. Nippte ein paarmal an ihrem Kaffee, er war noch zu heiß zum Trinken. Sie nahm die Tasse mit ins Bad und stellte sich unter die Dusche. Noch immer roch es säuerlich nach Erbrochenem. Sie ließ das Wasser über ihren Körper laufen, seifte sich ein. Trocknete sich ab, stellte sich auf die Waage, betrachtete sich von der Seite im Spiegel. Sie hatte eine passable Figur, nur der Busen erschien ihr eine Idee zu groß (aber die meisten Männer standen auf so was), die Fettpölsterchen an den Hüften jedoch und der leicht hängende Bauch ärgerten sie. Sie würde nie eine vollkommene Figur haben, dazu war sie in ihren Eßgewohnheiten zu undiszipliniert und naschte zu gern. Außerdem hatte sie diesen leichten Hängebauch von ihrer Mutter geerbt. Aber noch schien sie den meisten Männern attraktiv genug zu sein, und allein das zählte. Auch wenn sie vorläufig die Nase von Männern voll hatte. 48 Er war ihre erste große Liebe gewesen und sie überzeugt, diese Ehe würde bis in alle Ewigkeit halten. Bis sie dahinter stieg, daß es keine junge Frau zwischen achtzehn und vierzig in seiner Werbeagentur gab, die er nicht gevögelt hatte. Als sie es durch Zufall erfuhr, hatte sie ihm rechts und links eine runtergehauen, und als er zurückschlug, ihm so kräftig zwischen die Beine getreten, daß er danach mindestens einen Monat lang seinen Schwanz lediglich zum Pinkeln benutzen konnte. Dann war sie eine Nacht lang durch mehrere Kneipen gezogen, hatte sich vollaufen lassen und danach zwei Tage lang nur gekotzt. Eine weitere Woche heulte sie. Nachdem der erste Schock vorüber war, reichte sie die Scheidung ein und schickte Bewerbungen an verschiedene Polizeidienststellen in ganz Deutschland. Das vernünftigste Angebot kam aus Frankfurt.
Sie fönte das Haar, legte einen Hauch Rouge auf die leicht gebräunte Haut, etwas Lippenstift, zog die Augenbrauen nach, ein Spritzer Parfüm. Sie öffnete das Fenster, hielt einen Arm raus, um die Temperatur zu fühlen. Zog eine kurzärmelige, türkisfarbene Bluse, Jeans und Sportschuhe an. Sie fühlte sich fit für den Tag. Ein kurzer Abstecher ins Präsidium, sehen, ob Berger und Schulz da waren, danach die Eltern der beiden ersten Opfer aufsuchen. Sie hoffte, der Obduktionsbericht von Sabine Lindner lag schon vor. Vielleicht bestätigte sich ja ihr Verdacht, daß Sabine von einem anderen getötet worden war.
Sie würde diesen Tag aber, wenn möglich, ohne Schulz verbringen. Seine Gegenwart hemmte sie, er schien verärgert, eine Frau vor die Nase gesetzt bekommen zu haben. Natürlich brachte sie Verständnis für seine Gefühle auf, wenn auch nicht viel. Am liebsten arbeitete sie sowieso allein. Nur dann war sie frei, konnte die Befragungen so 49
durchführen, wie sie es für richtig hielt. Und da sie im Moment vorwiegend mit Frauen zu tun hatte und sie sich recht gut in deren Psyche versetzen konnte, war es vielleicht sogar besser, wenn sie allein arbeitete.
Samstag, 9.00 Uhr
Berger war bereits seit halb sieben im Büro. Das Fenster stand weit offen, die lauwarme Luft drängte durch die Schlitze der Jalousie und ließ die Lamellen sanft aneinanderschlagen. Berger notierte etwas auf einen Zettel und verstaute ihn beim Eintreten von Julia Durant unter der Schreibtischauflage.
»Morgen«, begrüßte sie ihn und hängte ihre Tasche an den Garderobenständer. »Sind Sie schon länger hier?« »Seit halb sieben. Konnte nicht mehr schlafen. Dieser verdammte Vollmond bringt mich jedesmal um den Verstand!«
»Ich habe geschlafen wie eine Tote. Bin erst nach Mitternacht hier raus. Ich habe die Akten studiert und werde versuchen, noch heute mit den Angehörigen von Carola Preusse und Maureen Nettleton zu sprechen. Ich habe einige Fragen, die nicht in den Protokollen stehen.« »Sie haben freie Hand.«
»Wenn es Ihnen nichts ausmacht, würde ich aber gerne allein fahren.«
»Ist Schulz Ihnen im Weg?« fragte Berger mißtrauisch. »Das nicht gerade, aber ich sagte Ihnen schon bei unserem ersten Gespräch, daß ich besser allein arbeiten kann. Ich bin dann freier im Kopf. Es hat nichts mit Schulz persönlich zu tun«, log sie, als sie das Aufblitzen in Bergers Augen bemerkte. »Also, auch wenn es Ihnen nicht gefällt, ich möchte doch ganz gerne, daß Sie Schulz in zumindest einen Teil Ihrer Befragungen integrieren. Das ist übrigens keine Bitte. Sie sollten wissen, daß Hauptkommissar Schulz ein fähiger Mann ist.«
»Sie sind der Boß«, sagte sie schulterzuckend, setzte sich, schlug die Beine
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