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Jung, blond, tot: Roman

Jung, blond, tot: Roman

Titel: Jung, blond, tot: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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ich meine. Der Junge wächst heran, und der Vater hat nichts Besseres zu tun, als sich über mehrere Jahre hinweg sexuell an ihm zu vergehen. Die Mutter weiß von alldem, schreitet aber nicht ein, im Gegenteil, sie schiebt dem Jungen sogar die Schuld zu, indem sie ihm sagt, er sei ungehorsam, und Ungehorsam müsse bestraft werden. Dieser Junge, der die Welt nicht mehr versteht, zieht sich in sein Schneckenhaus zurück, wo er einen ungeheuren Haß gegen seine Mutter aufbaut, die er doch so liebt und die ihn auf eine grausame Weise im Stich läßt. Nach außen hin vergöttert er seine Mutter immer noch. Und jetzt passiert das Seltsame; als der Stiefvater bei einem Autounfall ums Leben kommt und die Mutter ein pflegebedürftiger Krüppel bleibt, pflegt der Junge, der inzwischen zu einem jungen Mann herangewachsen ist, seine Mutter mit aller Hingabe. Plötzlich aber geschehen bizarre Morde, insgesamt fünf, bevor der Täter geschnappt werden kann. In irgendeiner Weise ähneln alle ermordeten Frauen und Mädchen ein wenig seiner Mutter. In der Kleinstadt, wo er zu Hause ist, würde man jeden für den Mörder halten, nur nicht diesen liebenswerten, aufopferungsvollen Jungen. Nur ein Zufall führt die Polizei auf seine Spur, doch erst als die Psychologen bis zum Kern dieses Mannes vordringen, sehen sie das Drama, das der Auslöser für die Morde war. Wenn man es genau nimmt, könnten fünf junge Frauen noch leben, wäre der Junge geliebt und vor allem würdevoller behandelt worden. Er hat geliebt, aber da war kein Echo. Er hat nicht gewußt, was er tat, irgendwann sind bei ihm die Sicherungen durchgebrannt, aber seltsamerweise erst, als der wirklich Böse, der Stiefvater, nicht mehr lebte. Erst dann war Platz für die Rache geschaffen. Wollen Sie so einen Menschen verurteilen? Kann man das überhaupt?«
Durant hatte sich Notizen gemacht, Berger kritzelte mit einem Bleistift Strichmännchen auf ein Blatt Papier. »Und in welchen Kreisen könnte man so jemanden suchen? Wo zum Beispiel könnten wir ansetzen?« Schneider lachte gickelnd auf. »Mir scheint, Sie haben nicht richtig zugehört; überall und nirgends. In einem der Bankhochhäuser, im Theater, vielleicht ist es der Personalchef eines Kaufhauses, Kfz-Meister, mein Gott, ganz Frankfurt steht Ihnen offen.« Er spitzte kurz die Lippen, sah Berger, dann Durant an. Er schüttelte den Kopf, mein te nachdenklich: »Nein, es kommt nicht ganz Frankfurt in Frage, denn der Täter verfügt ja über anatomische Kenntnisse und somit aller Wahrscheinlichkeit nach über einen überdurchschnittlichen IQ. Aber selbst Haarmann verfügte über zumindest einige anatomische Kenntnisse. Sie können im Prinzip nichts tun als darauf hoffen, daß er eines Tages einen gravierenden Fehler begeht. Und irgendwann, das garantiere ich Ihnen, begeht er diesen Fehler. Keiner kann auf ewig ein Phantom bleiben. Vielleicht wird er beim nächsten Mal beobachtet, vielleicht überlebt eines seiner Opfer und kann ihn beschreiben, vielleicht fällt einem seiner Angehörigen oder Freunde oder Bekannten etwas Seltsames auf. Es gibt tausend Möglichkeiten, wodurch jemand sich verraten kann. Nur, helfen kann ich Ihnen im Moment nicht. Ich kann Ihnen nur Glück und Erfolg wünschen. Aber um eines möchte ich Sie doch bitten - sagen Sie mir Bescheid, wenn Sie ihn haben. Ich würde mich gerne mit ihm unterhalten. Wenn Sie verstehen, was ich meine.«
Berger nickte. Natürlich mußte Schneider ein Interesse am Innenleben des Mörders haben. Schneider blieb eine halbe Stunde, packte seine Tasche, räusperte sich ein letztes Mal, huschte wieselflink und geräuschlos hinaus. Julia Durant zündete sich schnell eine Gauloise an.
Blitze zischten, gewaltige Donnerschläge rollten durch die Straßen und Häuserschluchten, ein sintflutartiger Wolkenbruch ergoß sich über die Stadt, heftige Sturmböen peitschten den Regen waagrecht über den Platz der Republik. Berger schloß das Fenster. Setzte sich, schwieg. Überlegte. Schüttelte den Kopf. Schneider war kaum gegangen, als Kullmer zurückkam. Er hatte sich mit dem Umfeld von Carola Preusse befaßt. Hatte das Gemeindezentrum besucht, in dem Carola sich unmittelbar vor ihrer Ermordung aufgehalten hatte. Er ließ sich auf den Stuhl fallen, holte sein Notizbuch heraus. »Ich habe nur den Hausmeister angetroffen, der mir die Telefonnummern von neun Mitgliedern der Gemeinde gab, von denen ich sieben antraf. Am Tatabend fand eine Aktivität für die jungen Erwachsenen im Alter

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