Junge Liebe 050 - Bye,bye, Mauerblümchen
warst du … occupato … Küssen …“, zwinkerte er. „La tua ragazza ... la ragazza … Das Mädchen?“
„Sie ist nicht meine Freundin“, gab ich schnell zurück. Um Gottes Willen. Der Gedanke allein war schon sehr unschön, wie würde sich erst die Tatsache anfühlen? „Ich … ich bin allein hier. Das war gestern unser erstes Date.“ Und das letzte!
„Oh … verstehe. Ihr saht so …“ Er machte ein Herz mit den Fingern. „Famigliare.“ Diego trank einen Schluck, musterte mich hin und wieder.
„Äh … ich hab heute etwas recherchiert. Gibt es CDs von euch?“
„Si, Dopo il concerto. Nach … concerto.“ Er deutete auf einen Mann mittleren Alters.
Ich strahlte vermutlich sehr, denn Diego lachte leise. „Du … bist süß. Aspetta qui, okay? Warten …“ Er stellte das Wasser auf den Tresen und ging davon.
Ich sollte warten? Auf was? Plötzlich bekam ich heftiges Herzklopfen. Diego wollte, dass ich wartete. Ich, nicht irgendwelche Weiber, ich sollte warten.
Unruhig rutschte ich auf dem Barhocker hin und her. Einige Paare waren aufgestanden, drehten sich auf der Tanzfläche zur Musik, knutschten, so wie ich gestern, und plötzlich war mir klar, was Diego mit ‚vertraut’ gemeint hatte. Klar sah ich mit Madeleine vertraut aus, wenn wir uns fast auffraßen.
Ich war keine Jungfrau mehr. Das Date hatte mir eine Menge gebracht und dazu noch einen Haufen Fragen aufgeworfen. Ich war Mum dankbar, dass sie mich in diesen Kosmetiksalon geschleift hatte. Ich war Madeleine dankbar, dass sie bei meinem Anblick nicht gelacht hatte, oder schlimmer, weggelaufen war. Dass sie mit mir sogar ausgegangen war, darüber bin ich sehr dankbar. Über die Küsse bin ich eben so dankbar, auch wenn ich noch nicht verstehe, warum mir gestern dabei regelrecht einer abgegangen war und sich heute fast gar nichts getan hatte. Auch wenn unser Sex am Mittag nicht das gebracht hatte, was ich mir erhofft hatte – nämlich ein beflügelndes Wohlbefinden – war ich ihr auch dafür dankbar. Ich konnte den Sommer jetzt entspannter angehen lassen. Immerhin war ich am Ziel angekommen: Sex. Ich wollte ja keine Beziehung. Ich wollte lediglich meine Unschuld verlieren. Und die war seit heute Geschichte. Ad acta gelegt, sozusagen. Und außerdem …
„La canzone successiva è molto speciale. Jake, goditela.”
Ich zuckte zusammen und starrte Diego an. „Was?”
„Bist du Jake?“, hörte ich den Barkeeper hinter mir leise. Ich nickte langsam.
„Dann ist der Song wohl für dich.“
Diego zwinkerte mir frech zu und ich wurde knallrot. Himmel. Verstohlen sah ich mich um, ob irgendwer mitbekommen hatte, dass er mich damit meinte. Tat er das überhaupt? Oh Jake, Piano, Kleiner. Lausche dem Song, den singt er schließlich nur für dich. Ich verstrand leider kein Wort, denn der Song war ja komplett auf italienisch, doch immer wieder sah er zu mir und ich seufzte leise. Musste ich mir jetzt Gedanken darum machen, dass ein Kerl ein italienisches Liebeslied für mich sang? Ich versank regelrecht in eine kleine, flauschige Welt.
Eine halbe Stunde später war das Konzert vorbei und ich rutschte von meinem Hocker. Ich wollte unbedingt eine CD. Langsam ging ich durch die Reihen auf den Manager zu, der bereits in den Verkaufsmodus umgeschaltet hatte. T-Shirts, CDs, Aufkleber, Kugelschreiber … was es nicht alles gab. Sogar eine DVD lag dort aus.
Ich suchte mir eines der beiden Alben aus und nahm zur Kenntnis, dass es das zweite durchaus online zu kaufen gab, auf der Webseite der Band. Gut, denn ich hatte leider nicht für beide Alben genügend Geld bei. Und auch dieses würde ich Mum wieder geben müssen. Zufrieden setzte ich mich mit der CD wieder an den Tresen, wo ich in den Resten meines Cuba Libre rührte und das Booklet anschaute. Viele Bilder von Diego, Liveaufnahmen und Bandfotos säumten die Songtexte. Ich fand sogar mein Lied. Vento caldo …
Ich musste Diego unbedingt fragen, um was es in dem Song ging.
„Ti è piaciuto?” fragte eine sanfte Stimme hinter mir.
Ich spürte augenblicklich eine heftige Gänsehaut im Nacken.
„Ähm … hat es dir … gefallen?“
Ohne mich umzudrehen, nickte ich. „Ja, sehr.“
„Molto bene.“ Diego nahm vor mir Platz, bekam sofort ein Wasser, dann lächelte er mich mit schief gelegtem Kopf an.
„Ähm … der … der Song … vento caldo, wovon handelt er?“, stotterte ich mir zurecht.
Diegos warmer Blick umschmeichelte mich regelrecht, als er antwortete: „Si tratta circa … “
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