Junger, Sebastian
keine Beweise finden. Trotzdem sollte dieser Gedanke
Cortez noch monatelang quälen. Jede Nacht träumte er, wieder auf dem Berg zu
sein und zu versuchen, so schnell zu rennen, dass er den Dingen eine andere
Wendung geben konnte. Es gelang ihm nie. »Ich würde lieber nie mehr schlafen
und davon träumen«, sagte Cortez, »als mit diesem Bild vor Augen zu schlafen.«
Rougles
Männer treffen Minuten später ein. Kurz vor dem Angriff verließ Rougle die
Stellung, um mit Staff Sergeant Rice zu sprechen, und seine Männer haben keine
Ahnung, was mit ihm geschehen ist. Es gab so viel Geschützfeuer, dass sie fürchteten,
überrannt zu werden, und ein Scout namens Raeon zerlegte sein
Barrett-Scharfschützengewehr und verteilte die Fragmente in der Stellung, damit
der Feind es nicht gegen amerikanische Soldaten einsetzen konnte. Jetzt kommen
die Scouts, um ihren Commander zu suchen, und sie finden nur Blut und
Ausrüstung verteilt über eine Bergkuppe und eine Leiche unter einer
Ponchodecke. Neben der Leiche liegen ein leeres MRE-Päckchen und eine
Wasserflasche. »Sind Rougle und die anderen hier oben?«, fragt ein Scout namens
Clinard. Hoyt wirft ihm einen Blick zu und wendet sich ab.
»Was?«,
sagt Clinard. Niemand spricht, und Hoyt geht hinüber und legt ihm nur die Hand
in den Nacken.
»Wer ist
das da drüben?« Clinards Stimme wird schrill vor Panik.
»Rougle«,
sagt Hoyt leise.
Ein
Winseln wie von einem Tier bricht aus Clinard hervor. Er löst sich von Hoyt und
weicht entsetzt zurück. Solowski kommt dazu und fragt, ob Rice noch lebt. Er
weint ebenfalls.
»Ja, geht
ihm gut«, sagt Hoyt.
»Er lebt?«
»Er
schafft es, Alter.«
Die Männer
gehen in Deckung und richten ihre Waffen von der Bergkuppe in südliche
Richtung. Wimmernd vor Kummer, irrt Clinard durch die Stellung. Schließlich
bleibt er in der Nähe von Hijar schluchzend stehen. Hijar liegt hinter einem
Baumstumpf und lässt den Blick über die Schlucht streifen. »Wir mussten da
drüben durch Eigenbeschuss, und dann haben die uns verdammt noch mal
vollgepumpt«, sagt Clinard, um zu erklären, warum sie nicht schneller zu Rougle
gekommen sind.
»Komm,
Mann, komm jetzt«, sagt Hoyt und streckt die Hand aus. Clinard sitzt nur da und
schüttelt den Kopf. »Das da ist nicht Sergeant Rougle - du lügst doch, Mann«,
sagt er.
»Natürlich
nicht - warum sollte ich bei so was lügen?«
Clinard steht auf, bleibt aber
schmerzgebeugt. »Wo ist er getroffen worden? - Ich muss es sehen.«
»Sieh ihn dir nicht an.«
»Ist es schlimm?«
»Es ging schnell.«
Clinard
steht, in der Taille eingeknickt, als würde er einen Wettlauf hinter sich
haben, und stößt wieder diese seltsamen Tierlaute aus. Er spricht davon, dass
sie an RouglesTod schuld seien. Die Männer um ihn herum bereiten Handgranaten
vor und stellen sich darauf ein, einen weiteren Angriff abzuwehren. Piosa
schafft es schließlich mit Donoho als Funker, die Bergkuppe zu erklimmen.
Donoho hat die Augen weit aufgerissen und muss angestrengt schlucken. »Battle
Six Romeo, hier istTwo-Six, bin jetzt beim KIA, break«, spricht Piosa ins
Funkgerät. (Battle Six bezieht sich auf Kearney und mit Two-Six ist Piosa
selbst gemeint. »Six« folgt gewöhnlich dem Namen der Einheit und bedeutet
»leader« oder »Commander«.) »Im Augenblick halten wir die Anhöhe und wir
bringen die beiden Verwundeten zur LZ Eagles. Ich bringe meinen KIA dorthin.
Break.«
Mörsergranaten
treffen den Gebirgsgrat der Feinde, und die Einschläge klingen wie das
Zuschlagen einer schweren Eichentür. Rougle liegt unter der Poncho-Steppdecke
allein und abseits im Unterholz, bis sich schließlich zwei seiner Männer und
ein afghanischer Soldat über ihn beugen und die Munition aus seinem Träger
nehmen. Danach legen ihn sechs afghanische Soldaten auf einen Poncho, um ihn bergab
zum Landeplatz zu bringen, aber sie tragen ihn nicht richtig, sodass er immer
wieder über den Boden schleift. Die Scouts schreien sie an, sofort aufzuhören,
und Raeon legt sich Rougle über die Schulter, nach Art eines Feuerwehrmanns
beim Rettungseinsatz, aber auch das funktioniert nicht. Schließlich betten die
Scouts ihn in einen Leichensack und transportieren ihn darin nach unten.
Besonders Donoho ist von diesem Anblick erschüttert, denn er hat immer noch
nicht verwunden, was er sehen musste, als Vimoto der Kopfschuss traf. Rice und
Vandenberge machen sich ebenfalls auf den Weg nach unten, nachdem sie beide beschlossen
haben, sich bei ihrem Gewicht nicht
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