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Junger, Sebastian

Junger, Sebastian

Titel: Junger, Sebastian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: War
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für Gefechte, und trotzdem erlebten die
Männer in Restrepo eine gefährliche Situation nach der anderen, kamen aber
immer knapp davon. Olson war mit der M240 in Beobachterstellung, als ein Geschoss
einen Zweig über seinem Kopf traf und das nächste neben seiner Wange in die
Erde klatschte. Er vermutete, dass es aus jenem Scharfschützengewehr abgefeuert
worden war, das der Feind Rougle während Rock Avalanche abgenommen hatte. In der
nach Süden ausgerichteten SAW-Stellung zersplitterte ein Geschoss das Holz
neben Jones' Kopf. O'Byrne beugte sich gerade vor, um einem afghanischen
Soldaten zu helfen, der von einem Heckenschützen in den Bauch getroffen worden
war - woran er auch starb -, als ein zweites Geschoss ihn nur um Zentimeter
verfehlte. Buno machte Klimmzüge, als ein Duschka-Geschoss durch die Hütte
zischte, in der er sich befand. Und so ging es weiter: Menschenleben, gemessen
in Zentimetern und Sekunden, und der Tod, vermieden nur durch reinen Zufall.
Platoons mit einer zehnprozentigen Verlustrate hätten genauso gut eine Rate von
fünfzig Prozent haben können. Es war alles eine Frage von Glück und Pech. Von
Gott. Ihnen blieb nichts anderes übrig, als sich mit gutem Timing und Gebeten
hindurchzulavieren, bis die großen Vögel landeten, alle einluden und sie nach
Hause brachten.
    Die Männer
hatten jetzt seit fast einem Jahr im Feld in ihre Funkgeräte gesprochen und
stellten fest, dass sie selbst dann »break« und »over« sagten, wenn sie an den
Telefonen im KOP mit ihren Freundinnen oder Ehefrauen sprachen. Beziehungen
wurden brüchig und beendet, und alte Aufreißersprüche wurden vom Staub befreit
und für zukünftigen Gebrauch neu taxiert. Wenn sie Frauen kennenlernten, sagten
die Männer so gut wie nie, dass sie in der Army dienten. »Delfintrainer« oder
»Kinderbuchautor« kam viel besser an. Einer hatte viel Erfolg damit, dass er
behauptete, der Sohn von Alec Baldwin zu sein. Immer wenn Cantu Dienst im KOP
hatte, kamen die Männer, um sich immer abenteuerlichere Tätowierungen stechen
zu lassen. Plötzlich schlängelten sich rachsüchtige Drachen um männliche
Oberkörper, und aus den Bizeps sprossen Bomben und Gewehre. »Living to
die/Dying to live«, »Soldier for God«, »Soldier of Fortune«. Ein neuer Private
mit dem Spitznamen Spanky übertrieb es und ließ sich auf den linken Arm ein
Gesicht tätowieren, das halb Engel, halb Teufel darstellte. Als Sergeant Mac
es sah, verlangte er zu wissen, was diese Scheiße sollte.
    »Es
repräsentiert die Engel und Teufel, die mich jeden Morgen nach dem Aufwachen
erwarten, Sar'n« sagte Spanky.
    Nachdem
das Gelächter verebbt war, sagte ihm Mac, er täte besser daran, zuzugeben, dass
er sich eines Abends die Hucke voll gesoffen hatte und sich nicht mehr daran
erinnern konnte, wie es passiert war. »Und jetzt wiederhol das ein paar Mal,
damit man dir auch glaubt«, sagte Mac.
    Der Regen
setzt Ende März ein, und der Pech schwillt schnell so heftig an und wird so
reißend, dass die feindlichen Kämpfer ihn nicht mehr zu Fuß überqueren können.
Nur Kampfflugzeuge können aus Bagram ausfliegen, und die Logistik gerät ins
Stocken, anfangs Tage und dann Wochen. Ich komme Anfang April durch Bagram und
verbringe dort ein paar Tage, um darauf zu warten, dass sich die Wolken so weit
lichten, dass man die Berge sehen kann. Kein Berg, kein Flug, aber ich halte
mich für alle Fälle im Rotary Terminal auf. Wie oft man ihn auch gehört haben
mag, unwillkürlich wendet man sich zum Flugfeld, wenn die F-15- und
F-16-Kampfjets abheben und dabei diesen donnernden und außerweltlichen Lärm
machen, den man eigentlich nur der anbrechenden Apokalypse zuschreiben kann.
Dann steigen die Deltaflügel mit obszöner Geschwindigkeit in den afghanischen
Himmel, und ihre kaltblauen Nachbrenner schneiden sich ins Dämmerlicht wie die
Flammen eines Schweißbrenners.
    Eines
Tages begegne ich einem Mann in Zivilkleidung, der sich keine Sekunde lang mehr
als einen Schritt von einem langen schwarzen Koffer entfernt. Wir befinden uns
in einem Sperrholzgebäude voller gelangweilter Soldaten, die sich Frauenbasketball
im Fernsehen ansehen, und als ich ihn frage, was er so macht, nickt er nur in
Richtung des Koffers und sagt: »Wir identifizieren Männer in der Mafia und
entfernen sie einen nach dem anderem vom Schlachtfeld.« Einen Tag später in
Dschalalabad erwische ich einen Black Hawk nach Camp Blessing, der gerade einen
afghanischen Soldaten in Handschellen und einen weiteren

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