Jungsspaß und Maedchenpanik
öffentliches Telefon. In Ordnung?«
Pablo schüttelte den Kopf. »Was ist, wenn uns jemand erreichen will?! Oma oder Opa oder … oder Hol…« Er verstummte unwillkürlich.
»Holger?«, vollendete Katja. Grimmige Falten gesellten sich zum Lächeln auf ihrer Stirn. »Der wird nur den Satz Der Teil nehmer ist zurzeit leider nicht erreichbar hören. Und dieser Satz stimmt ganz genau. Wenn uns trotzdem jemand unbedingt erreichen will, funktioniert das über unseren Ferienhausvermieter.« Sie schwang sich aus dem Bett und verschwand Richtung Bad.
»Aber … aber … du kannst doch nicht einfach das Handy zu Hause lassen!«, rief Pablo hinter ihr her.
»Doch, kann ich!«, flötete Katja.
»Aber so was macht kein vernünftiger Mensch!«
»Ich bin nicht vernünftig, mein Schatz! Ich pfeife auf Vernunft. Ich habe Urlaub!«
»Auweia«, murmelte Pablo.
Ohne Gameboy, ohne Computer und jetzt auch noch ohne Handy. Nun war er endgültig von der Welt abgetrennt. Unerreichbar gestrandet. Im Übrigen verfügte das Mobiltelefon über einige ganz nette Spiele. Pablo hatte daran gedacht, dass sie ihn ein wenig über den Gameboy-Verlust hätten hinwegtrösten können. Vor allem aber war er fest entschlossen, so schnell wie möglich mit Arian in Kontakt zu treten. Würde er seinem Freund dafür etwa einen Brief schreiben müssen? Einen handschriftlichen Brief? Im dritten Jahrtausend? Nein, so weit wollte er im Urlaub nicht in die Steinzeit zurück.
»In der Nähe vom Bolzplatz gibt’s auch eine Telefonzelle! Da geh ich jetzt sofort hin!«
Katja stand schon unter der Dusche. »Wie bitte?«, rief sie durch das Rauschen des Wasserstrahls.
»Ich geh zur Telefonzelle von Lüttenhoop!«, rief Pablo.
»Da nisten doch schon Vögel drin!«, blubberte Katjas Stimme.
»Sehr lustig, Mama!«
Pablo stapfte entschlossen los und kehrte wenig später unverrichteter Dinge zurück. Der olle Fernsprecher hatte keinen Hörer mehr, aber das bemerkte Pablo erst, nachdem er einen Euro in den Münzschlitz geworfen hatte. Ein Nest gab es zwar nicht, aber an der leeren Gabel hatte die dickste und hässlichste Spinne, die Pablo je gesehen hatte, ihr Netz gesponnen. Fast hätte er sie aus Versehen angefasst. Er fürchtete sich zwar nicht besonders vor Spinnen, aber dieses Viech jagte ihm einen Schauer nach dem anderen über den Rücken. Einen kurzen Moment lang spielte Pablo mit dem Gedanken, sie einzufangen und als kleine Rache für das zu Hause gelassene Handy in der Dusche wieder freizulassen.
Als Katja den mürrischen Ausdruck im Gesicht ihres Sohnes bemerkte und auf mehrfache Nachfrage von der verlorenen Münze erfuhr, lachte sie, zückte ihr Portemonnaie und behob den Schaden mit einem Zehneuroschein.
In Ahrensmünde kaufte Pablo sich dafür ein Asterix-Heft und behielt noch Geld übrig.
An der Strandpromenade aßen sie bei Käpt ’ n Heins Brutzelbu de Currywurst mit Pommes.
Pablo schlug seine Mutter zweimal im Minigolf, und auf dem Riesentrampolin bekam er zum ersten Mal einen eineinhalbfachen Salto hin.
Sie fanden am Strand schöne Steine und Muscheln und erfrischten sich zwischendurch im Meer. Katja errichtete am Strandkorb ein ähnliches Büchergebirge wie am Morgen rund um ihr Bett, und während sie sich wacker daranmachte, es abzubauen, schaffte Pablo mit einem kleinen, extra gekauften Surfbrett einen ziemlich langen Wellenritt. Kurzum, der Aufenthalt in Ahrensmünde war wieder sehr schön.
Als sie in ihr abgelegenes Feriendorf zurückkehrten, bemerkte Pablo irgendwo in seinem Inneren eine unerwartete Regung. Der Ort lag so verlassen da wie bei ihrer Ankunft. Katja steuerte den Wagen rumpelnd über das schadhafte Sträßchen. Die bescheidenen Ferienhäuschen duckten sich in die Dämmerung.
Hinter einem erleuchteten Fenster sah Pablo einen schmalen Schatten mit großem Scheitel vorbeihuschen. Oskar war also wohlauf. Klein, aber zäh. Denn wer einen Museumsbesuch über die Forstgeschichte der Ostseewälder überstand, ohne Schaden zu nehmen, dem war noch einiges mehr zuzutrauen.
Vor einem anderen Haus bemerkte Pablo einen großen Mann, der sorgfältig an einer riesigen Angelrute herumbastelte. Er ging damit so liebevoll um wie ein Musiker mit seinem Instrument.
Das musste Willis Vater Heinz sein. Pablo fragte sich, ob er gerade vom Angeln kam oder sich darauf vorbereitete – oder beides.
Auch die anderen Gäste waren jetzt bestimmt irgendwo hinter den abgenutzten Wänden dieser Häuschen – Willi, Hassan und Zoe, Lara und Clara
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